Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
Vom Netzwerk:
als Klerkons Eigentum auswiesen.
    Keiner der anderen Sklaven trug auch nur einen Riemen mit einem Knochenring, denn Klerkons Lager befand sich auf einer Insel, von der kein Sklave flüchten konnte – aber dieser Junge hatte es offenbar versucht. Und zwar mehr als nur einmal, weshalb Klerkon sich genötigt gesehen hatte, ihm einen Eisenring anzulegen. Das war auch Hasenscharte aufgefallen, deshalb hielt er es für angebracht, mir den Jungen zu bringen, statt ihn zu töten.
    »Vor dem Scheißhaus angekettet«, brummte er und bestätigte meine Vermutung. Angebunden wie ein toller Hund und zur Strafe am dreckigsten Ort des Lagers.
    Der Junge starrte mich unverwandt an. Irgendetwas war
ungewöhnlich an diesem Blick. Ich sah genauer hin. Dann erkannte ich es: Eins seiner Augen war blaugrün, das andere hingegen goldbraun.
    »Klerkon ist nicht hier«, sagte Ospak und wandte sich von der weinenden Frau ab, wenn auch nicht ohne einen bedauernden Blick. Durch die schlecht verputzten Wände fiel jetzt das Morgenlicht auf den gestampften Boden.
    »Zu dem Schluss bin ich auch schon gekommen«, sagte ich, froh, den Blick von dem Jungen abwenden zu können. Ich ging in den Teil der Halle, der Klerkon vorbehalten war, und zog den Vorhang zurück.
    Reinweiße Fuchspelze. Ein Umhang mit grünem Besatz. Ein solider Bettkasten, dick mit Fellen gepolstert. Doch keine Truhe. Kein Geld. Keine Thordis.
    »Ich bin ein Nordmann«, sagte der Junge. Er sprach mit westnordischem Akzent, der ungeübt klang und sich nur schwer gegen die slavische Sprache behauptete, die man ihn zu sprechen gezwungen hatte.
    Ich sah wieder in diese Augen. Er stand da, mit trotzig erhobenem Kopf und erinnerte mich einen Augenblick lang an den Ziegenjungen, der auf Zypern zu uns gekommen war. Er war etwa im gleichen Alter wie der Ziegenhirt damals, schätzte ich. Natürlich hatten wir aufgehört, ihn den Ziegenjungen zu nennen, nachdem er alt genug war – Jon Asanes hieß er und war jetzt bei einem mir bekannten Händler in der Lehre, in Holmgard, das die Slawen Nowgorod nennen.
    »Ich komme aus Norwegen und bin ein Prinz«, fügte der Junge hinzu. Throst Silfra lachte laut auf, und der Junge sah ihn mit seinen merkwürdigen Augen scharf an. Throst zuckte kurz zusammen, doch fasste er sich schnell wieder. Er ging mit drohend erhobener Hand auf ihn zu.
    »Lass ihn«, warnte ich ihn, und er warf mir einen finsteren Blick zu, doch er ließ von dem Jungen ab.
    »Ich bin wirklich ein Prinz«, beharrte der Junge.
    »Na klar doch«, polterte Finn, der hereinplatzte. »Wasch einem Sklaven den Dreck ab, und sofort wird er behaupten, in seiner Heimat sonst wer gewesen zu sein.«
    »Ein Prinz von wo?«, fragte ich.
    Der Junge machte eine unsichere Bewegung. »Ich weiß nicht genau«, sagte er zögernd, und sehr viel sicherer fügte er hinzu: »Aber meine Mutter war eine Prinzessin. Sie ist gestorben. Und mein Pflegevater ebenfalls. Klerkon hat sie beide getötet.«
    »Hier gibt es absolut nichts, was man mitnehmen könnte«, brummte Finn, der den Jungen ignorierte. »Klerkon ist mit seiner Beute also nicht hierher zurückgekehrt, er muss sich direkt nach Aldeigjuborg aufgemacht haben.«
    »Die Vorratskammern sind aber voll«, bemerkte Kvasir, der gerade hereinkam. »Winterverpflegung. Töpfe mit Honig, Seehundsfelle, Hirschfelle, Fuchspelze, Federn für Kopfkissen, Säcke voll Eicheln …«
    »Federn«, sagte Finn verächtlich, »und verdammte Eicheln …«
    »Nehmt es mit, ladet es ein«, sagte ich, und Kvasir nickte. »Wenn ihr alles habt, brennt die Häuser nieder. Lasst die Sklaven hier. Die nehmen zu viel Platz weg, und ihretwegen sind wir nicht gekommen.«
    Kvasir rannte aus der Halle und rief nach Leuten, die ihm helfen sollten. Der rote Njal kam herein, sah mich kurz an und wandte sich dann ab. Seine Hände und Knie waren voll Blut und Dreck, weil er sich in den Schlamm gekniet hatte, um eine Frau und ihre Kinder auszurauben, die er umgebracht hatte. Als ich dazugekommen war, hatte er sich geschämt und von den Leichen der Kinder abgelassen.
    »Ist es klug, alles niederzubrennen?«, fragte Finn.
    »Klug?«
    »Na ja, du kennst Klerkon«, sagte Finn. »Wenn wir ihn nicht erledigen, wird er sich rächen. Er hat bereits Gunnarsgard angezündet, was zur Hälfte mir gehörte – jetzt könnte er aus Rache alle Sklaven und Thordis umbringen.«
    Er hatte recht, und das war wieder mal ein guter Grund, nicht mehr zu besitzen, als man in einer Seekiste unterbringen konnte,

Weitere Kostenlose Bücher