Drachenboot
fraßen um die Wette, und es war leicht, ihnen zu folgen, bis Gisur die Markierungen zur Mündung der Newa und zum Ladogasee fand, von wo aus wir uns schließlich auf dem Wolchow nach Süden wandten.
Inzwischen waren die Männer ernst und still geworden –
in Gegenwart eines Jungen, der Vögel hören konnte und verstand, was sie sagten und der Krähenbein hieß. Er erinnerte mich an Sighvat – und Finn und Kvasir stimmten mir zu.
»Vielleicht ist er Sighvats Sohn«, schlug Finn vor, und wir schwiegen nachdenklich. Wir dachten an unseren alten Rudergefährten und an seine Erzählungen darüber, was Vögel und Bienen wussten. Und wir erinnerten uns, wie er auf der staubigen Straße dieses verlotterten serkländischen Dorfes gelegen hatte, und wie die Fliegen um seine durchgeschnittene Kehle summten.
Als es an diesem ersten Tag, an dem wir flussaufwärts nach Aldeigjuborg fuhren, dunkel wurde, waren wir noch immer zu weit von der Stadt entfernt, um eine Weiterfahrt zu riskieren, also legten wir am Ufer an. Wir machten Feuer und spannten auf Deck das Zeltdach auf, sodass wir an Land essen, aber an Bord schlafen konnten.
Kvasir, Finn und ich saßen wie üblich beisammen und sprachen mit Verwunderung über den Jungen. Kvasir meinte, Thorgunna habe doch ein großes Talent, wenn es darum ginge, jemanden zum Reden zu bringen, also würde er versuchen zu lauschen, wenn die beiden sich unterhielten.
Wir alle waren uns einig – obwohl wir zugleich unsere Scherze darüber machten –, dass der kleine Prinz Olaf ein besonderes Kind war. Finn sagte, es sei vielleicht ganz gut gewesen, dass wir uns an die Abmachung gehalten und die Sklaven nicht getötet hatten, denn er sei vielleicht kein Kind, das man verärgern sollte.
Mir gefielen solche Reden nicht, denn wir hatten alle Freien dort getötet, Weiber und Kinder von Klerkon und seiner Mannschaft, sogar die Hunde. Dieser kleine Neunjährige hatte sich an allen gerächt, die ihm ein Leid angetan hatten,
sodass er bis zum Ellbogen mit Blut besudelt war, selbst wenn andere das Töten für ihn erledigt hatten.
Es dauerte nicht lange, da kam Thorgunna angelaufen und suchte dieses merkwürdige Kind und machte sich Sorgen, weil er hier allein an einem unbekannten Ort in der Dunkelheit herumstreifte, also mussten wir alle mitkommen und ihn suchen.
Nach einer Stunde tauchte er auf, so leise, dass Thorkel vor Schreck zusammenfuhr und sich mit seiner Fackel fast das Haar in Brand gesetzt hätte.
»Wo warst du?«, wollte Thorgunna wissen, und mit seinen verschiedenfarbigen Augen, die im Fackelschein funkelten, sah er sie an.
»Ich habe zugehört, wie die Eulen sich über ihre Jagd unterhalten haben«, sagte er.
»Und, war die Jagd erfolgreich?«, lachte Finn. Der Junge schüttelte todernst den Kopf.
»Es war zu kalt«, sagte er und ging zum Feuer. Wir folgten ihm, erschrocken und nachdenklich.
»Hier«, sagte Thorgunna streng und drückte ihm etwas in die Hand. »Spiel jetzt damit und bleib beim Feuer. Damit wirst du dich nicht langweilen.«
Es war ein Taflbrett und ein Säckchen mit glatt polierten Spielsteinen. Die Männer lachten, aber der Junge nahm brav das Holzbrett und legte es neben sich.
»Es ist zu dunkel zum Spielen«, sagte er, »aber ich kann euch eine Geschichte von einem Taflbrett erzählen.«
Die Männer strichen sich überrascht die Bärte. Das war mal etwas ganz Neues: ein Neunjähriger, der den Alten eine Geschichte erzählen wollte! Kvasir lachte amüsiert.
Der Junge räusperte sich und fing mit seiner hohen, klaren Stimme zu erzählen an. Und die rauen Gesellen beugten sich vor, um kein Wort zu verpassen.
»Auf einem Hof in Vestfold lebte einst ein Mann, der seinem Sohn ein schönes Taflbrett schnitzte«, fing der Junge an. »Es war aus Eiche, und das ist Thors Holz. Als es fertig war, zeigte er seinem Sohn, wie man darauf spielt. Der Junge war sehr stolz auf dieses schöne Spielbrett, und jeden Morgen, wenn er mit den Schafen auf die Weide zog, nahm er sein Taflbrett mit, denn er fand ja überall Steine zum Spielen.«
Der Junge unterbrach sich, und die Männer kamen noch dichter heran. Er hatte jetzt ihre ganze Aufmerksamkeit. Ich staunte über den Seidr, den er auf alle ausübte. Woher kannte er diese Geschichte? Klerkon hatte ihm bestimmt keine Gutenachtgeschichten erzählt, und sein Pflegevater war gestorben, als er noch sehr klein war. Vielleicht hatte seine Mutter sie ihm erzählt, ehe sie starb.
Ȇberall, wo er hinging, nahm er das Brett
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