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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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irre.«
    Bei der Erwähnung meines Namens und Beinamens fuhr ich zusammen, denn der wurde meist nur höhnisch benutzt, wenn man mich herausfordern wollte. Er grinste mich an und deutete eine ironische Verbeugung an.
    »Ich habe von Lambisson viel über dich erfahren«, sagte Farolf. »Und noch mehr von dem Kleinen mit dem Narbengesicht, der nicht ganz richtig im Kopf ist.«
    »Dann weißt du jetzt mehr als vorher«, sagte ich. »Und weißt du auch, wo Brondolf Lambisson ist?«
    »Der ist weitergezogen«, erwiderte Farolf vergnügt. »Er und sein kleiner Wirrkopf. Wahrscheinlich schon tot; diese Weiber, die allen die Eier abschneiden, sind hinter ihm her und haben nur ein paar zurückgelassen, die darauf warten, dass wir so dämlich sind, uns rauszuwagen, damit sie uns abschlachten können.«
    »Die Männerhasser sind fort«, sagte ich vorsichtig, »und stattdessen sind wir hier. Es wäre klüger, das Knie zu beugen und den Balken vom Tor zu nehmen. Denn wir sind keine Frauen, und wir werden nicht warten, bis ihr herauskommt.«
    »Nein«, erwiderte er ernst, »daran habe ich auch gedacht. Du und der Prinz, ihr sucht dasselbe wie Lambisson. Ihr seid stark, auch wenn eure Gefolgschaft ein wenig … geschrumpft wirkt. Trotzdem glaube ich nicht, dass ihr durch dieses Tor kommt.«
    »Ihr habt Lambisson verlassen«, sagte ich, denn das war mir jetzt klar. Er nickte und lächelte, und es war dieses Lächeln, das mir unheimlich war, denn er schien sich seiner Sache sehr sicher zu sein; er wirkte glatt wie ein Aal. Die anderen hörten zu, und ihre Blicke wanderten von mir zu ihm und wieder zurück. Es war fast wie bei einem Holmgang.
    »Habt ihr ihn verraten, oder verriet er euch? Aber das tut jetzt auch nichts mehr zur Sache, jedenfalls geht ihr eure eigenen Wege«, fuhr ich fort. »Und dennoch wollt ihr euch nicht mit uns zusammentun. Also habt ihr eigene Pläne. Wenn ihr das Silber sucht, dann sucht ihr Attilas Grabhügel …«
    Plötzlich wusste ich es, es traf mich wie ein Schlag in die Magengrube. Er wusste, wohin er gehen musste, oder zumindest glaubte er es. Er konnte sich nur sicher sein, wenn jemand es ihm erzählt hatte. Der kleine Eldgrim war mit Lambisson gegangen, übrig blieb also nur …
    Er lachte, als er mein Gesicht sah, dann gab er jemandem ein Zeichen. Ein paar grimmige, mit Leder gepanzerte Männer führten Thorstein Dorschbeißer vor. Er hing zwischen ihnen wie ein Sack, doch schließlich hob er den Kopf. Es war einmal ein Gesicht gewesen. Jetzt war es eine blaurote, verschwollene Masse mit Augen.
    »Heya, Orm«, sagte er mit blutigen Lippen. »Du kommst spät.«
    Ehe ich etwas sagen konnte, machte Farolf eine Kopfbewegung, und sie zerrten Thorstein ziemlich unsanft wieder fort.
    »Jetzt verduftet«, sagte Farolf, »sonst hänge ich ihn verkehrt herum auf und schneide ihm die Kehle durch.«
    Ich schwieg. Ich sah Wladimirs blasses, angespanntes Gesicht, sah seinen Onkel, Sigurd und alle anderen. Farolf hatte es zweifellos für eine gute Strategie gehalten, uns Dorschbeißer zu zeigen, und wenn die Eingeschworenen allein gewesen wären, wären sie jetzt nicht mehr zu halten gewesen. Aber den Slawen bedeutete Dorschbeißer nichts, und dem kleinen Wladimir war es völlig gleichgültig, ob wir ihn lebendig zurückbekamen oder nicht. Er wollte Rache und Pfählungen, und wenn er nicht auf dem Pferd gesessen hätte, hätte er mit dem Fuß aufgestampft und gebrüllt.
    Farolf wollte uns natürlich vorgaukeln, dass Thorstein unter Folter alles gesagt hatte, was er wusste, sodass er ihn jetzt ruhig töten konnte – aber Thorstein wusste nichts, was er ihm hätte erzählen können. Er kannte den Weg zum
Grabhügel nicht, doch unter einer Klinge oder einem glühenden Eisen erzählt man so manches.
    Ich wandte mich um, es gab nichts weiter zu sagen. Jedenfalls dachte ich das – doch in diesem Moment erhob Finn das Wort, gerade als Farolf gehen wollte.
    »Der Dumme glaubt alles zu wissen,
solang er sitzt im sicheren Hof.
Doch weiß er in Wahrheit nur eins:
Was er als Antwort geben wird,
wenn Männer ihn auf die Probe stellen.«
    Das war eine andere Strophe aus dem Gedicht, aus dem Farolf vorher zitiert hatte. Es war genau die richtige Antwort und umso erstaunlicher, weil sie von Finn kam. Ich war sprachlos. Und ich war nicht der Einzige; nach und nach wurde allen klar, wie klug und schlagfertig Finns Bemerkung gewesen war, und die Freude darüber wärmte uns wie ein Feuer. Die Männer johlten und schlugen

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