Drachenbraut
wandte ihr das Gesicht wieder zu. Irgendwie schien es ihr Schicksal zu sein, den großen Mann in seinen Hotelzimmern heimzusuchen und ihm eine ärztliche Behandlung aufzunötigen. Seltsames Hobby.
Valentin hob eine Hand und berührte geistesabwesend seine Schulter. Er betrachtete das Blut an seinen Fingerspitzen. «Es sollte längst verheilt sein. Es muss sich beim Duschen wieder geöffnet haben.»
Josefine kam auf die Beine. Definitiv war das hier ihr Schicksal. «Die Kugel war für mich», stellte sie nüchterner fest, als ihr zumute war, und trat auf ihn zu.
«Sie fassen mich nicht an!»
Er stand plötzlich wieder aufrecht und sah auf sie herunter.
«Sie haben eine Wunde, ich bin Ärztin. Das kann ich nicht ignorieren. Hinsetzen. Ich muss mir das anschauen.»
Sie konnte sich gerade noch so daran hindern, ihm am Handgelenk zu ziehen.
Er hob abwehrend die Hände. «Das ist nichts und Sie lassen ihre Finger bei sich.»
«Das Nichts blutet aber noch.»
Sie reckte den Kopf, um wenigstens eine Ferninspektion durchführen zu können. Wandler heilten schnell. Auch wenn diese Wunde tief war, sollte sie sich doch nach über zwei Stunden bereits wieder geschlossen haben. Dass hier immer noch Blut lief, war seltsam. Zumal der Mann vor ihr ja vom lieben Herrgott oder sonst wem mit einer Überdosis an Wandlergenen ausgestattet worden war. Sie war einen Schritt näher getreten, um die Wundränder besser begutachten zu können.
Augenblicklich senkte er den Kopf. Seine Stimme war nur noch ein Flüstern: «Sie sind mir zu nahe.»
«Eben hatten Sie doch auch kein Problem mit Körperkontakt. Da konnte es gar nicht nah genug sein.»
Bei der Erinnerung, was er vor einigen Minuten noch mit ihr angestellt hatte, trat sie lieber einen Schritt zurück. Ganz offensichtlich wollte er sich ja nicht helfen lassen. Dann musste er halt weiterbluten.
«Danke.»
Ihre Beine machten ganz von allein noch einen Schritt zurück. Schlagartig wurde ihr wieder bewusst, warum sie überhaupt hier war. Sie zuckte die Achseln und wanderte zu einem der gemütlich aussehenden Sessel vor dem Kamin. Vorsichtig setzte sie sich hinein.
«Wischen Sie das wenigstens weg.»
Sie deutete auf das Blut an seiner Schulter, und achtlos fuhr er sich mit der Handfläche über die Wunde. Sie lehnte sich zurück. Die entspannte Sitzposition fühlte sich komisch an. In ihrem Organismus kreiste so viel Adrenalin, dass ihre Nebennierenrinde vermutlich für sehr lange Zeit arbeitslos sein würde. Aber wenn er sich nicht helfen lassen wollte, konnten sie auch gleich zum Punkt kommen.
«Dann erzählen Sie mir mal etwas über meine Herkunft.»
Er antwortete nicht sofort, sondern ging erst zu Oskar, kniete sich neben ihn und streichelte unerwartet sanft die Flanke des Tieres, das daraufhin den Kopf ein wenig hob. Er hatte sich von ihr abgewandt und sie konnte sein Gesicht nicht sehen.
«Es ist fast achthundert Jahre her. Damals gab es die Vesna und mein Volk, das Volk der Drachen.»
«Vesna.» Sie probierte den Klang des Wortes auf ihren Lippen. «Sprechen Sie weiter.»
«Wir lebten mit ihnen über Jahrtausende in enger Symbiose zusammen. Nur durch sie konnten wir werden, was unsere genetische Bestimmung ist: ein Drache.»
Er erhob sich und setzte sich in den gegenüberliegenden Sessel. Auch er lehnte sich scheinbar entspannt zurück, aber sie konnte seine Anspannung förmlich auf der Zunge schmecken.
Sie verspürte einen leichten Schwindel und ganz unerwartet ein Ziehen im Unterleib. Er hatte definitiv zu wenig Klamotten am Leib und für den Moment hatte sie leider auch keinerlei Energie übrig, um sich gegen diese sonderbaren Empfindungen zu wehren, und so lehnte sie den Kopf gegen das Polster des Sessels und wartete ab.
Valentin hatte die Augen geschlossen und sich leicht nach vorne gebeugt. Als er weitersprach, klang seine Stimme heiser.
«Es gab keine schicksalhaften Verbindungen. Jeder Gefährte konnte sich theoretisch mit jedem Drachen verbinden. Aber es hatte Sinn, dass man sich sympathisch war. Denn diese Verbindung hielt bis zum Tod.»
Seine Worte waren durchzogen von diesem melodiösen Akzent, dessen Zuordnung ihr immer noch nicht gelungen war. Vielleicht war es auch eine Mischung aus all den Sprachen, die er im Laufe seines Lebens gelernt hatte? Das lenkte sie etwas ab, weswegen der letzte Satz sie verspätet erreichte.
Bis zum Tod?
Ihr wurde heiß und kalt gleichzeitig. Für einen Moment fühlte sie, wie die Situation ihr entglitt. Energisch
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