Drachenbraut
Demnach musste sie in seiner Nähe sein. Wo sie sich ab sofort aber sowieso aufhalten sollte, denn jetzt war sie seine Vesna. Seine Gefährtin. Ihr bester Aufenthaltsort war somit ungefähr zwei Zentimeter entfernt von ihm.
Wenn es allerdings hart auf hart kam, wünschte er sie sich mindestens tausend Kilometer entfernt aus der Gefahrenzone. Womit er nicht mehr zum Drachen werden konnte. Da biss die Katze sich in den Schwanz. Oder der Drache. Wahlweise.
Sie hatte ihn immer noch nicht losgelassen. «Wir sind also ein Team?»
«Ja.»
Worauf wollte sie hinaus?
«Dann sind wir gleichwertige Partner.»
Okay, er hatte verstanden. Das hier war eine kurze Information an den Alpha in ihm.
«Ja, das sind wir.»
Ihm war nicht ganz wohl bei diesen Worten. Schließlich war es oft einfach lebensnotwendig, dass passierte, was er sagte.
«Ich wollte dich nur noch einmal ganz sanft an die Tatsache erinnern, dass du mich nicht manipulieren kannst.»
Sie lächelte. Geradezu liebreizend. Dann ließ sie ihn los und fing an, ihre Sachen zusammenzusuchen.
«Wie schließt man den Riss in der Atmosphäre?»
Leicht irritiert beobachtete er sie dabei, wie sie irgendeinen Gegenstand unter einem Busch hervorzog. Aber an ihre chaotische Art würde er sich wohl gewöhnen müssen. Endlich hatte sie alles beisammen, den Rucksack geschultert und sah ihn fragend an
«Mit Magie.»
«Und was, wenn das nicht funktioniert? Irgendetwas Unvorhergesehenes passiert?»
«Dann passen wir unsere Handlungsweise der aktuellen Situation an.»
So, Ende der Fragestunde. Er nahm sie energisch bei den Schultern und schob sie vor sich her über den schmalen Pfad, der sie über die kleine Hügelkette brachte, die den Ritualplatz umgab. Beim Abstieg erwies sie sich genauso trittsicher wie beim Aufstieg. Sie gingen dicht beieinander und hin und wieder berührten sie sich auf dem unebenen Weg. Jedes Mal durchzuckte ihn ein kleiner Stromschlag. An dem feurigen Blick, den er jedes Mal erntete, konnte er erahnen, dass es ihr ebenso erging.
Ihre Seele produzierte bei dem langen Marsch viele Gefühle, von denen er einige sehr deutlich identifizieren konnte. Sie war aufmerksam, nahm jede Gegebenheit ihrer Umgebung wahr. Das konnte er definitiv riechen. Genauso ihre Verwirrung, die eine leichte Zitrusnote zu haben schien. Am meisten aber berührte ihn ein anderes tiefes Gefühl, das ein warmes Zimtaroma verströmte: ihr tiefes Vertrauen in ihn.
Sie hatten bereits ein gutes Stück zurückgelegt, als ihn eine brutale Energie förmlich ansprang. Abrupt blieb er stehen und hob den Kopf.
Etwas war hier. Und es stammte nicht aus dieser Welt.
Kapitel 25
Es war ein eigenartiges Gefühl der Zusammengehörigkeit, mit dem sie den steilen Waldpfad in stiller Eintracht entlangliefen. Die Stille tat ihr gut. Die ersten Minuten spielten ihre Gedanken in ihrem Kopf noch Flipper miteinander. Jetzt übte sie sich in der Kunst des «Nicht-Denkens» und «Nur-Fühlens». Mit Logik würde sie der ganzen Sache hier eh nicht begegnen können, so viel stand fest.
Neben ihr lief ein Mann, der mit seiner Machtfülle die gesamte magische Welt beherrschte und sich ab sofort auch noch in einen Drachen verwandeln konnte.
Sie war auf ewig mit ihm verbunden. Sie hatte Sex mit ihm gehabt.
Das war ja nun einiges, um den Verstand zu verwirren. Aber ihre emotionale und chaotische Seite, die ganz aus ihrer Intuition gespeist wurde, schaffte es, die Überhand zu gewinnen, und es gelang ihr, alle Gedanken auszublenden. Die stärksten Gefühlte trieben daraufhin an die Oberfläche ihrer Seele. Verwirrung und Angst schwammen ganz oben, in Anbetracht der Situation durchaus angemessen.
Das andere Gefühl war tiefes Vertrauen. Vertrauen in ihn. Ein eigentümliches Gefühl. Bisher war es ihr immer schwer gefallen zu vertrauen. Diese Empfindung schien tief in ihrer Seele verborgen geschlummert zu haben. Jetzt war sie erwacht. Was auch passieren würde, allein seine Anwesenheit gab ihr Sicherheit und die Zuversicht, alles zu überstehen.
Sie beobachtete, wie die Blätter der Bäume in der aufgehenden Morgensonne ihre Farbe zurückgewannen, und spürte seine Wärme direkt hinter sich. Ihre Füße liefen wie von allein und selbst die Riemen des Rucksackes spürte sie nicht mehr, als er sie plötzlich an den Schultern festhielt.
Sie blieb stehen. Er hatte den Kopf witternd gehoben, sämtliche entspannte Leichtigkeit, die er noch vor wenigen Minuten ausgestrahlt hatte, war einer brutalen Härte gewichen.
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