Drachenelfen
gerade; unter dem Umhang ballte eine Hand sich zur Faust, die
andere mit der Kerze war ruhig.
Drinnen Klappern und Poltern, Möbel wurden
gerückt, Dinge fielen zu Boden, als suchte Hugh etwas. Ein triumphierendes
Knurren. Ein Metallgegenstand traf die untere Hälfte der Tür. Wieder ein
Knurren, diesmal erbost, dann rutschte ein Schlüssel durch den Spalt über dem
Boden.
Der Abt bückte sich, hob den Schlüssel auf und
wog ihn einen Moment nachdenklich in der Hand, dann schaute er Iridal an – eine
stumme Frage, ob ihr Entschluß feststand.
Die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepreßt,
forderte sie ihn mit einem kurzen Nicken auf, die Tür zu öffnen.
Schulterzuckend willfahrte der Abt ihrem Wunsch.
Kaum hatte der Schlüssel sich im Schloß gedreht,
wurde die Tür von innen auf gestoßen. Eine wilde Gestalt erschien in der
Öffnung, umrahmt von qualmerfülltem Halbdunkel, angeleuchtet vom Schein der
beiden Kerzen.
Die Gestalt stürzte auf Iridal zu. Starke Hände
umklammerten ihre Arme, zerrten sie in das kleine Gelaß, stießen sie gegen die
Wand. Sie ließ die Kerze fallen, das Flämmchen erstickte in einer Wachspfütze.
Hugh Mordhand, dem Abt zugewendet, versperrte
mit seinem Körper die Tür.
»Den Schlüssel«, forderte er.
Der Abt gab ihm das Verlangte.
»Laßt uns allein!«
Hugh packte die Tür und schlug sie zu, dann fuhr
er zu Iridal herum. Sie hörte den leichten Schritt des Abtes sich
uninteressiert entfernen.
Die Zelle war klein. Das Mobiliar bestand aus
einem primitiven Bett, einem Tisch, einem Stuhl und einem Kübel in der Ecke,
dazu benutzt, die Ausscheidungen des Körpers aufzunehmen. Auf dem Tisch eine
dicke Wachskerze, daneben Hughs Pfeife, ein Becher, ein Teller und eine Kruke
mit Branntwein, der fast so scheußlich roch wie der Stregno.
Iridal überschaute all das mit einem raschen
Blick, der auch nach Waffen suchte. Sie fürchtete nicht für sich, ihre Magie
vermochte jeden Gegner niederzuschmettern oder zu lahmen. Sie hatte Angst um
Hugh, daß er sich etwas antat, bevor sie es verhindern konnte, denn es sah
aus, als hätte er soviel getrunken, daß er nicht mehr Herr seiner selbst war.
Er stand vor ihr und starrte sie an, sein
Gesicht – mit der Hakennase, der gewölbten Stirn, den tiefliegenden, schmalen
Augen – war eine furchteinflößende Maske, entstellt von huschenden Schatten und
wabernden, gelblichen Rauchschwaden. Er atmete schwer, von der unbeherrschten
Anstrengung, dem Alkohol und einer fiebrigen Erregung. Schwankend, mit
ausgestrecken Händen, setzte er sich in Bewegung. Der Schein der großen Kerze
traf sein Gesicht, und jetzt begann Iridal sich wirklich zu ängstigen, denn der
Branntwein hatte seine Haut gerötet, aber nicht seine Augen erreicht.
Ein Teil von ihm blieb vom Alkohol unberührt, wieviel
er auch in sich hineinschüttete. Sein Gesicht war fast unkenntlich, verwüstet
von bitterem Leid und Seelenqualen. In das schwarze Haar mischten sich graue
Strähnen; sein Bart, früher in der Mitte geteilt und zu Zöpfen geflochten, war
lang und ungepflegt. Er trug die schwarze Kutte eines Kirmönchs, alt,
zerschlissen und zu kurz – aus der Lumpenkiste. Sein geschmeidiger, sehniger
Körper wirkte aufgeschwemmt, doch er verfügte noch über die rohe Kraft eines
Betrunkenen. Iridal spürte immer noch den harten Zugriff seiner Hände an ihren
Oberarmen, wo die Finger sich ins Fleisch gegraben hatten.
Er kam näher. Die Worte eines Bannspruchs
drängten sich ihr auf die Lippen, aber blieben unausgesprochen. Sie konnte
jetzt sein Gesicht deutlich sehen und hätte weinen mögen. Mitgefühl, Erbarmen,
die Erinnerung, daß er sein Leben geopfert hatte, eines schrecklichen Todes
gestorben war, um ihren Sohn zu retten, bewogen sie, ihm die Hände
entgegenzustrecken.
Er umfaßte sie mit einem stählernen,
schmerzhaften Griff und sank vor ihr auf die Knie.
»Macht ein Ende!« flehte er mit brüchiger
Stimme. »Ich bitte Euch! Nehmt diesen Fluch von mir! Gebt mich frei! Laßt mich
gehen!«
Alle Kraft schien ihn zu verlassen, er ließ ihre
Hände los, neigte den Kopf, ein hartes, trockenes Schluchzen schüttelte seinen
Körper. Iridal beugte sich über ihn, ihre Tränen fielen auf das ergrauende
Haar, das sie mit kalten Fingern streichelte.
»Es tut mir leid«, flüsterte sie tonlos. »So
leid.«
Er hob den Kopf. »Ich will Euer verdammtes
Mitleid nicht! Gebt mich frei!« wiederholte er hitzig. »Ihr wißt
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