Drachenelfen
wären es«, sagte Hugh, als
hätte er nichts gehört. »Ich dachte, alle Welt wäre verrückt geworden. Dann
fing ich an zu begreifen, daß es an mir lag. Die Träume…« Er fröstelte,
schüttelte den Kopf. »Nein, ich will über die Träume nicht reden.«
»Weshalb habt Ihr ausgerechnet hier Zuflucht gesucht?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich war am Ende,
völlig pleite. Wo sollte ich hin? Die Mönche haben immer gesagt, ich würde
eines Tages zurückkommen. Sie haben es prophezeit.« Verstört glitt sein Blick
durch die Zelle, dann schüttelte er sich, schüttelte die Erinnerung ab.
»Wie auch immer, hier fand ich des Rätsels
Lösung. Der Abt warf einen Blick auf mich und sprach aus, was ich nur geahnt
hatte. Ich war gestorben. Ich hatte dieses Leben verlassen und war –
zurückgeholt worden. Auferweckt. Von den Toten auferweckt.« Hugh versetzte der
Flasche einen heftigen Tritt, sie rollte laut klirrend in die Ecke neben dem
Kamin.
»Ihr – könnt Euch nicht erinnern?« Iridal
versagte die Stimme.
Er betrachtete sie schweigend, finster, mit
zusammengezogenen Brauen. »Die Träume sind Erinnerung. Erinnerung an einen
Ort, schöner als Worte ihn beschreiben können. Verständnis, Erbarmen…« Er schwieg,
hustete, räusperte sich. »Aber der Weg dorthin ist furchtbar. Der Schmerz. Die
Schuld. Das Bewußtsein meiner Untaten. Die Seele dem Leib entrissen. Und
jetzt kann ich nicht wieder zurück. Ich habe es versucht.«
Iridal schloß erschüttert die Augen.
»Selbstmord…?«
Er lächelte, ein schreckliches Lächeln.
»Mißlungen. Beide Male. Verdammt zuviel Angst.«
»Zu leben erfordert größeren Mut als zu
sterben«, sagte Iridal leise.
»Woher, zum Henker, wollt Ihr das wissen, Teuerste?«
spottete Hugh.
Iridal senkte den Blick auf ihre Hände.
»Erzählt mir, wie es dazu gekommen ist«,
forderte Hugh sie auf.
»Ihr – Ihr und Sinistrad habt gekämpft. Es ist
Euch gelungen, ihn niederzustechen, aber die Wunde war nicht tödlich. Er hatte
noch die Kraft, sich in eine Schlange zu verwandeln, Euch anzugreifen. Gift…
Dann starb er, doch erst nachdem er…«
»Mich getötet hatte«, sagte Hugh trocken.
Iridal leckte sich über die Lippen, sah ihn
nicht an. »Der Drache wandte sich gegen uns. Sinistrads Drache, der Sturmsilber.
Durch den Tod meines Gemahls vom Bann befreit, wurde er tobsüchtig. Von da an
ist alles verworren. Haplo, der Mann mit den blauen Tätowierungen, nahm Gram
mit sich. Ich war überzeugt, sterben zu müssen, und es machte mir nichts aus.
Ihr habt recht.« Sie schenkte ihm ein mattes Lächeln. »Zu sterben erschien mir
leichter, als weiterzuleben. Aber Alfred gelang es, den Drachen zu bändigen,
unter seinen Einfluß zu bringen. Und dann…« Die Erinnerung kehrte zurück…
Iridal betrachtete scheu den Drachen, dessen
gewaltiges Haupt sich hin und her wiegte, als hörte er eine beruhigende,
beschwichtigende Stimme.
»Ihr habt ihn in seinem Bewußtsein gefangen«,
sagte sie.
»Ja«, bestätigte Alfred. »Der stärkste Käfig,
der je gebaut wurde.«
»Und ich bin frei«, flüsterte sie in
grenzenlosem Staunen. »Und es ist noch nicht zu spät. Es gibt noch Hoffnung!
Gram, mein Sohn! Mein Sohn!«
Iridal lief zur Tür, wo sie ihn das letztemal
gesehen hatte. Die Tür existierte nicht mehr. Die Mauern ihres Gefängnisses
waren eingestürzt, aber die Trümmer versperrten ihr den Weg.
»Gram!« rief sie und mühte sich vergeblich,
einen der mächtigen Steinblöcke zu bewegen. Unterstützt von ihrer Magie, wäre
es ihr ein Leichtes gewesen, aber sie konnte sich nicht auf die Worte besinnen.
Sie war zu müde, innerlich so leer. Aber sie mußte zu ihm. Wenn sich nur dieser
Stein aus dem Weg räumen ließe!
»Hört auf damit, meine Liebe«, sagte eine gütige
Stimme. Hände umfaßten sanft ihre Schultern. »Es hat keinen Sinn. Er ist fort,
auf dem Elfenschiff. Haplo hat ihn mitgenommen.«
»Haplo – meinen Sohn?« Iridal verstand es nicht.
»Warum? Was hat er vor mit ihm?«
»Das weiß ich nicht.« Alfred schaute sie
unglücklich an. »Ich bin mir nicht sicher. Aber sorgt Euch nicht. Wir holen ihn
zurück. Ich kenne Haplos Ziel.«
»Dann sollten wir ihnen folgen«, meinte Iridal.
Aber sie schaute sich nur hilflos um. Türen
waren hinter Schutthügeln verschwunden. In Wänden gähnten Löcher, gaben den
Blick frei auf noch größere Verwüstungen. Das Zimmer war dermaßen verändert,
daß sie das Gefühl hatte, in einem
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