Drachenelfen
Geschäft betrieb.
»Ruh dich aus«, ordnete Hugh an, für jedermann
hörbar, »ich gehe hinein und bitte um Wasser.« Leise fügte er hinzu: »Haltet
die Augen offen.«
Iridal nickte stumm und zog die Kapuze tiefer
ins Gesicht, aber so, daß sie noch freies Blickfeld hatte. Sie blieb still
sitzen, dabei behielt sie wachsam die Straße im Auge. Bis jetzt war ihr nicht
der Gedanke gekommen, man könne ihnen folgen, eine lächerliche Vorstellung,
wo doch jeder Elf in Paxaria mittlerweile von ihrer Anwesenheit wußte und
vermutlich auch, wohin sie wollten. Sie hatten wahrlich kein Geheimnis daraus
gemacht.
Hugh trat über die Schwelle und ließ die Tür
hinter sich offen. Aus den Augenwinkeln sah Iridal ihn zu einem Ladentisch
gehen. Dahinter reihten sich auf langen Regalen Flaschen jeder erdenklichen
Form, Farbe und Größe, die eine ebenso erstaunliche Vielfalt an Pflanzen,
Pulver und Essenzen enthielten.
Elfenmagie ist entweder mechanischer Natur – Drachenschiffe
oder spiritueller – die Kenkari. Elfen glauben nicht daran, eine Prise von
diesem Kräutlein mit zwei Löffeln von jenem Pulver zu vermischen, außer in der
Heilkunst. Und Heilmittel gehören nicht in den Bereich der magischen Dinge;
man braucht sie, aber sie gelten als profan. Der Elf hinter dem Tresen war ein
Kräuterkundiger. Er mischte Salben für Furunkel und Blasen und Ausschlag,
verkaufte Säfte gegen Husten und Schlaflosigkeit und Ohnmachtsanfälle.
Vielleicht auch unter der Ladentheke einen Liebestrunk oder zwei.
Iridal hatte keine Ahnung, was Hugh wollte.
Bestimmt kein Glas Wasser.
Der Elf hinter dem Tresen war jedenfalls nicht
erfreut, ihn zu sehen.
»Nicht mögen deine Sorte. Gehen weg«, schimpfte
er und schwenkte die Hand, als wollte er Vögel verscheuchen.
Hugh steckte ihm die Rechte entgegen, wie zur Begrüßung.
»Meinem Gefährten geht es nicht gut. Gebt mir bitte einen Becher Wasser. Und
wir haben uns verirrt, wir brauchen jemanden, der uns den Weg beschreibt. Im
Namen der Kenkari, Ihr könnt uns nicht die Hilfe verweigern.«
Der Elf musterte ihn schweigend, dann warf er
einen scharfen Blick zur Tür. »Du, Mönch. Du nicht da sitzen. Schlecht fürs
Geschäft«, rief er Iridal unwirsch zu. »Komm her. Komm her.«
Hugh ging hinaus, half Iridal aufzustehen und
führte sie in den Laden.
Der Elf schob hastig den Riegel vor und drehte
sich zu dem verkleideten Assassinen herum. »Was brauchst du, Bruder? Sag es
schnell. Wir haben nicht viel Zeit.«
»Die Beschreibung des kürzesten Wegs zur
Kathedrale d’Albedo.«
»Wohin?«
Hugh wiederholte, was er gesagt hatte.
»Nun gut.« Der Elf war verblüfft, aber
hilfsbereit. »Geht zurück zur Straße der Waffenschmiede, biegt in die Gasse der
Silberschmiede ein und folgt ihr bis zum Ende. Sie mündet in eine breite
Chaussee –, den Königsweg, der in Serpentinen hinauf in die Berge führt. Der
Paß ist schwer bewacht, aber ihr solltet keine Schwierigkeiten haben. Diese
Tarnung – eine raffinierte Idee. Allerdings wird sie euch nicht helfen, ins
Imperanon hineinzukommen. Ich nehme an, das ist euer wirkliches Ziel.«
»Wir wollen zur Kathedrale. Wo liegt sie genau?«
Der Elf schüttelte den Kopf. »Hör auf meinen
Rat, Bruder. Das Imperanon ist in den Berghang gebaut, die Kathedrale liegt
davor, auf einem großen Plateau. Ein Gebäude aus Koralit und Kristall in der
Mitte eines freien Platzes, des Temenos’. Man sieht es schon von weitem.
Glaubt mir, ihr werdet keine Schwierigkeiten haben, die Kathedrale zu finden,
obwohl – weshalb ihr unbedingt dorthin wollt, ist mir ein Rätsel. Wie auch
immer, das ist eure Sache. Kann ich sonst noch etwas für euch tun?«
»Wir haben gehört, die Kenkari weigerten sich,
die Seelen aufzunehmen, die man ihnen bringt. Stimmt das?«
Der Elf hob die Augenbrauen. Mit der Frage hatte
er nicht gerechnet. Er warf einen Blick aus dem Fenster, dann zur Tür, ob sie
wirklich verschlossen war, und senkte trotzdem die Stimme.
»Es ist wahr, Bruder. Man redet in der ganzen
Stadt davon. Wenn ihr bei der Kathedrale eintrefft, werdet ihr das Portal
verschlossen finden.«
»Vielen Dank für deine Hilfe, Bruder«, sagte Hugh.
»Am besten gehen wir jetzt. Wir wollen dir keine Ungelegenheiten bereiten. Die
Wände bewegen sich.« 65
Iridal sah Hugh an und fragte sich, was er
meinte. Der Elf schien es zu wissen, er nickte. »Damit muß man rechnen, aber
keine Sorge. Die Unsichtbaren bespitzeln nicht so
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