Drachenelfen
flatterte König Stephens Banner
– das Geflügelte Auge. Hugh prägte sich die Lage des Zeltes ein, die Anordnung
der in der Nähe campierenden Truppen und den kürzesten Weg dorthin. Über einen
Fluchtweg brauchte er sich keine Gedanken zu machen.
Elfenschiffe lagen weit draußen vor Anker; die
Drachen der Menschen waren landeinwärts angepflockt, entgegen der Windrichtung
– eine unabdingbare Vorsichtsmaßnahme, denn zum Bau ihrer Schiffe verwendeten
die Elfen Haut und Schuppen erlegter Drachen, und die Witterung konnte eine
Raserei unter deren lebendigen Vettern auslösen, die womöglich den Zauber-bann
abschüttelten, der sie gefügig machte, und blutige Verwüstungen anrichteten.
Die Palastgarde, Stephens persönliche Leibwache,
stellte die Vorposten. Zwei gewaltige Kampfdrachen, deren jeder ein kleines
Truppenkontingent auf dem Rücken trug, zogen weite Kreise über der Ebene; die
kleineren, wendigen Reitdrachen patrouillierten am Himmel. Zwei von diesen
hatten Hugh erspäht und hielten auf ihn zu.
Hugh zog die Zügel straff und wies den Drachen
an, mit ausgebreiteten Flügeln zu verharren, getragen von der Thermik über dem
Kontinent. Natürlich wachte ausgerechnet der Hund auf und fing an zu heulen.
Obwohl Hughs Verhalten von friedlicher Absicht
zeugte, gingen die Soldaten kein Risiko ein. Die beiden auf dem vorderen
Drachen hatten den Bogen gespannt, der Pfeil des einen zielte auf Hugh, des
anderen auf den Drachen. Der Mann auf dem zweiten Drachen, ein Offizier,
näherte sich erst, als er sicher sein konnte, daß seine Männer Hugh im Visier
hatten. Der Assassine bemerkte aber, daß ein Lächeln über das strenge Gesicht
des Offiziers huschte, als er den Hund sah und hörte.
Hugh nahm eine demütige Haltung ein und führte
als respektvolle Begrüßung die Hand zur Stirn.
»Was ist Euer Begehr?« fragte der Offizier. »Was
wollt Ihr?«
»Ich bin ein einfacher Händler, Exzellenz.« Hugh
mußte schreien, um sich bei dem Geheul des Hundes und dem Rauschen der
Drachenschwingen Gehör zu verschaffen. Er deutete auf die hinter dem Sattel
festgeschnallten Gepäckstücke. »Mein Sohn und ich bringen wunderbare und
herrliche Dinge, um die tapferen, ruhmreichen Mannen Eurer Exzellenz zu
erfreuen.«
»Um ihnen mit Eurem schäbigen Ramsch den Sold
aus der Tasche zu ziehen, meint Ihr wohl.«
Hugh hob tief gekränkt beide Hände. »Nein, Herr
General, auf Ehre. Meine Ware ist die feinste und beste – Töpfe und Pfannen
fürs Kochfeuer; Ketten und Broschen, um Glanz in die Augen der Schönen zu
zaubern, die beim Abschied um Euch geweint haben.«
»Schert Euch mit Euren Töpfen und Pfannen, Eurem
Sohn, Eurem Hund und Eurer geschmeidigen Zunge sonstwohin, guter Mann. Hier
findet kein Markt statt. Und ich bin auch kein General.«
»Ich weiß, daß hier kein Markt stattfindet«,
sagte Hugh unterwürfig. »Und wenn Ihr nicht General seid, dann nur, weil Eure
Vorgesetzten Euch nicht gebührend zu schätzen wissen. Aber ich sehe, daß viele
meiner Zunftbrüder dort unten bereits ihre Zelte aufgeschlagen haben. König
Stephen wird doch einem ehrlichen Mann wie mir, der zwölf Mäuler zu stopfen
hat, ganz zu schweigen von der Aussteuer für meine Töchter, nicht verwehren,
sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen?«
Der Offizier kannte die gleiche Geschichte in
unzähligen Variationen und glaubte kein Wort davon, doch er wußte, er hatte
verloren. Hatte es gewußt, bevor das erste Wort gesprochen wurde. Die Nachricht
vom friedlichen Aufeinandertreffen zweier Heere auf der Ebene der Sieben
Felder wirkte wie der süße Geruch faulender Puafrüchte, der Schwärme von
Fliegen anzieht. Huren, Spieler, Marketender, Waffenschmiede – alle fanden sich
ein, um an dem süßen Saft zu nippen. Der König konnte sie entweder vertreiben
lassen, was Blutvergießen bedeutete und Unmut bei der Bevölkerung, oder er
konnte sie dulden und versuchen, ein Auge auf das Treiben zu haben.
»Nun gut.« Der Offizier machte eine auffordernde
Handbewegung. »Ihr dürft landen. Meldet Euch im Zelt des Aufsehers mit einem
Muster Eurer Waren sowie zwanzig Baris für die Marktlizenz.«
»Zwanzig Baris! Eine Unverschämtheit!« murrte
Hugh.
»Was habt Ihr gesagt?«
»Daß ich Euch danke für Eure große Güte,
Exzellenz. Auch mein Sohn sagt Euch Dank. Bedanke dich bei dem Herrn General,
mein Sohn.«
Grams Wangen färbten sich rosig, er neigte artig
den Kopf und hob die Hände vors Gesicht,
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