Drachenelfen
beweisen. Bestimmt!«
»Wirst du das. Gram?« Xar umfaßte die Schultern
des Jungen.
Bei einem Patrynkind hätte man die Entwicklung
solcher Zuneigung nicht gefördert, erst recht nicht gestattet, sie zu zeigen,
aber Xar neigte in diesem Fall dazu, die strengen Prinzipien etwas großzügiger
auszulegen. Nachdem er bisher ein Eremitendasein geführt hatte, freute sich der
Fürst an der Gesellschaft des Jungen; genoß es, ihn zu unterrichten. Gram war
wißbegierig, intelligent und mit außergewöhnlichen magischen Fähigkeiten
begabt – für einen Nichtigen. Abgesehen davon empfand der Fürst des Nexus es
als recht angenehm, der Gegenstand kritikloser Verehrung zu sein.
»Werden wir heute Abend die Sartanrunen
studieren, Großvater?« fragte Gram eifrig. »Ich habe ein paar neue gelernt. Und
ich kann sie meistern. Ich zeig’s dir…«
»Nein, Kind.« Xar schob den Knaben freundlich,
aber bestimmt von sich weg. »Ich bin müde. Außerdem habe ich noch viel zu arbeiten,
bevor ich die Reise nach Abarrach antrete. Lauf nur und spiele.«
Der Junge ließ den Kopf hängen, doch er
gehorchte schweigend, denn er hatte schmerzlich erfahren müssen, daß
Widerspruch sowohl vergeblich als auch gefährlich war. Sein ganzes Leben lang
würde er daran denken, wie er das erstemal versucht hatte, seinen Willen
durchzusetzen: die Luft anhielt, bis er blau anlief und mit den Füßen auf den
Boden stampfte. Das hatte bei anderen Erwachsenen immer gewirkt. Nicht so bei
dem Fürsten des Nexus.
Die Strafe erfolgte prompt und drakonisch.
Bis zu jenem Augenblick hatte Gram nie vor einem
Erwachsenen Respekt gehabt, aber von da an respektierte und fürchtete er Xar,
liebte ihn mit aller Kraft einer leidenschaftlichen Natur – das Erbe seiner Mutter,
aber mißbraucht und vergiftet von seinem skrupellosen Vater.
Xar begab sich in die Bibliothek, ein Ort, den
Gram nicht betreten durfte. Der Junge kehrte in sein Zimmer zurück, um die
elementare Runenstruktur zu repetieren, die er nach langem Üben endlich
bewältigt hatte. Plötzlich hob er den Kopf. Ihm war eine Idee gekommen.
Er überprüfte den Einfall auf seine
Durchführbarkeit, denn er war klug und hatte sich die Ermahnung seines Mentors
zu Herzen genommen, an jedes Unternehmen mit Vorsicht und Bedacht heranzugehen.
Es gab nichts auszusetzen. Falls Gram ertappt
wurde, konnte er sich immer herauswinden. Bei dem Mann, den er sich zum
Großvater erkoren hatte, mochten Tränen, treuherzige Unschuld oder kindlicher
Charme nicht verfangen, bei anderen Erwachsenen wirkten diese Waffen unfehlbar.
Auch bei Haplo.
Gram hüllte sich in einen schwarzen Umhang,
schlüpfte aus dem Haus und verschmolz mit den Schatten des Nexus.
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Kapitel 3
Nexus
Haplo verließ die Residenz in niedergeschlagener
Stimmung. Ohne sonderlich darauf zu achten, wohin er ging, wanderte er die
Pfade entlang, die den Forst durchzogen. Seine Gedanken waren von der eben beendeten
Unterhaltung in Anspruch genommen; er versuchte in dem Gesagten einen Hinweis
darauf zu entdecken, daß Xar seine Warnung nicht in den Wind geschlagen
hatte.
Seine Hoffnung erfüllte sich nicht, aber konnte
er dem Fürsten einen Vorwurf machen? Wie bereitwillig hatte doch er, Haplo,
alle Zweifel über Bord geworfen und sich fangen lassen. Nun war auch der Fürst
des Nexus den Einflüsterungen der Schlangen erlegen. Wie ihn überzeugen, daß
sie, nicht die Sartan, der wirkliche Feind waren?
Während er darüber nachsann, hielt Haplo
Ausschau nach einer Spur von dem Abgesandten der Schlangen. Vielleicht kam ihm
der Zufall zur Hilfe, und es gelang ihm, der Kreatur habhaft zu werden. Dann
konnte er sie zwingen, Xar ihre wahren Absichten zu enthüllen.
Diesmal aber lief ihm kein falscher Patryn über
den Weg; er hatte auch nicht wirklich damit gerechnet. Die Schlangen waren
listig und hochintelligent. Kaum anzunehmen, daß eine von ihnen sich einfach
so überrumpeln lassen würde.
Haplo trat unter den Bäumen hervor und schritt
über dämmerige Wiesen in Richtung der Stadt.
Nachdem er auf seinen Reisen andere Sartanstädte
gesehen hatte, wußte er, Sartan waren auch die Erbauer dieser neuen Heimat der
Patryn. In der Stadtmitte ragte von einer aus marmornen Bögen gebildeten Kuppel
ein Kristallobelisk in die Höhe, umrahmt von vier weiteren Pfeilern, eine Stufe
darunter erhoben sich weitere acht. Auf stufenförmigen Terrassen standen Häuser
und Läden, Schulen und Bibliotheken – alles,
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