Drachenelfen
er ist bei ihr, vorausgesetzt, sie lebt noch.
Vorausgesetzt, mein Sohn lebt noch.«
»Er lebt. Ich weiß, daß er lebt. Genau wie ich
wußte, daß es ihn gab. Ich wußte es, als sie mich verließ. Aber ich tat nichts.
Ich tat verdammt überhaupt nichts, außer daß ich mir die größte Mühe gab,
umgebracht zu werden, damit ich nicht mehr darüber nachzudenken brauchte. Aber
ich werde zurückkehren. Ich werde dich holen, Junge. Zifnab hat wahrscheinlich
recht gehabt. Die Zeit ist noch nicht reif. Und ich brauche Hilfe.« Er streckte
die Hand aus und strich Gram eine der schweißfeuchten Locken aus der Stirn.
»Gedulde dich noch ein wenig. Bald…«
Gram rollte sich auf dem Bett zusammen. Es war
kalt hier unten, seit das Allüberall nicht mehr für Wärme sorgte. Haplo stand
auf. Er griff nach Limbecks Decke und breitete sie behutsam über die
schmächtige Gestalt des Jungen.
An seinen Platz zurückgekehrt – Jarre und
Limbeck stritten immer noch –, nahm Haplo sein Schwert und begann mit dem
Finger die Runenmuster auf dem Heft nachzuzeichnen. Dabei ließ er seinen
Gedanken freien Lauf.
Während er über seine Situation nachdachte und
seine Motive, schälte sich endlich aus all dem Für und Wider, den Zweifeln
und den Selbstvorwürfen eine Erkenntnis heraus: Ich bin nicht in Arianus, weil
Fürst Xar es befohlen hat. Ich bin nicht hier, weil ich die Welt erobern will.
Ich bin hier, weil ich diese Welt befrieden
will, zu einem sicheren Ort machen, für meinen Sohn. Meinen Sohn, der im
Labyrinth gefangen ist.
Und Xar handelt aus demselben Grund. Er tut dies
für seine Kinder. Seine vielen Kinder, die im Labyrinth gefangen sind.
Getröstet, endlich versöhnt mit sich selbst und
seinem Fürsten, sprach Haplo die Runen. Die verschlungenen Linien auf der
Klinge des Schwertes flammten auf und überstrahlten das blakende Flämmchen
hinter dem rußigen Schirm der Glampern.
»Das trifft sich gut, mit diesem
Ablenkungsmanöver«, meinte Limbeck und blinzelte Haplo kurzsichtig an. Er hielt
die Brille in der Hand und rieb sich die malträtierte Nase. »Ich habe eine neue
Waffe entwickelt, die ich schon lange ausprobieren wollte.«
»Pfff!« machte Jarre. »Waffen.«
Limbeck achtete nicht darauf. Die Debatte über
eine erfolgversprechende Ablenkungsmethode war lang und heftig gewesen und
zeitweise gefährlich für die Umstehenden. Eine fliegende Bratpfanne hatte
Haplo nur um Haaresbreite verfehlt. Der Hund war unter das Bett geflüchtet,
auf dem Gram friedlich schlummerte.
Haplo fiel auf, daß Jarre, obwohl sie keine
Bedenken hatte, mit Küchenutensilien um sich zu werfen, peinlich darauf
achtete, keinesfalls den Chefmechniker und ehrenwerten Führer von UFF zu
treffen. Sie wirkte in Limbecks Gegenwart befangen und gehemmt; wenn sie sich
unbeobachtet glaubte, betrachtete sie ihn mit einer Mischung aus Frustration
und Sorge.
In den frühen Tagen der Revolution pflegte sie
Limbeck mit wohlgemeinten Backpfeifen zur Aufmerksamkeit zu zwingen oder zog
ihn liebevoll, wenn auch schmerzhaft am Bart, um ihn in die Wirklichkeit zurückzuholen.
Das war vorbei: Heute sah es aus, als hätte sie Angst, ihm nahe zu kommen.
Haplo sah mehr als einmal während der Diskussion ihre Hände zucken und ahnte,
daß sie nichts lieber getan hätte, als dem Meister Chefmechniker gehörig den
Backenbart zu rupfen. Statt dessen beschäftigten ihre Finger sich mit den Falten
in ihrem langen Rock oder sortierten klirrend das Besteck.
»Ich habe diese Waffe selbst entwickelt«,
verkündete Limbeck stolz. Er kramte unter einem Stapel Manuskripte, zog das
Gesuchte hervor und hielt es ins trübe Licht der Glampern. »Ich nenne es einen
Schnipper.«
Die Menschen im Mittelreich hätten
sachverständig genickt, sich nur über den Namen gewundert und gesagt: ein
Katapult; in Haplos Augen war es ein Spielzeug. Er behielt seine Meinung aber
für sich, bewunderte die Erfindung pflichtgemäß und fragte, wie sie funktionierte.
Limbeck erklärte. »Wenn das Allüberall neue
Teile für sich herstellte, fiel dabei immer eine Menge von etwas ab.« Er hielt
ein äußerst gefährlich aussehendes, scharfkantiges Stück Metall in die Höhe.
»Wir sammelten sie ein und warfen sie in den Schmelzer, aber dann mußte ich an
die Flügel der Drachenschiffe denken. So ein Ding könnte mit Leichtigkeit ein
Loch in die Bespannung reißen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, daß ein
Flugapparat nicht mehr fliegt, wenn
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