Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
unnötige Risiko ein? Das ist dumm.«
»Weil ich hoffe, dass dein Unbehagen, an diesem Ort zu bleiben, dich davon überzeugen kann, mich bei einer noch größeren Dummheit zu begleiten.«
»Glaubst du?« Nodon entfernte mit einer zornigen Geste den Schleier. Seine Lippen waren ein schmaler, harter Strich. Ganz offensichtlich hatte er keinen Sinn für Scherze. Er griff nach einem Becher, den er auf dem Brunnenrand abgestellt hatte. Er trank Wasser an diesem Ort der Sinnlichkeit. »Und wohin willst du, Gonvalon?«
»An den Ort, an den wir eigentlich alle wollen. Ich werde in dieser Nacht in den Weltenmund steigen.«
Nodons Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Er stellte den Becher zurück und zog den Schleier wieder vor sein Gesicht. »Mir scheint, es bekommt dir nicht gut, deine Tage in weihrauchverhangenen Tempeln zu verbringen.«
»Es ist eine Frage der Ehre, dort hinabzusteigen.«
»Ich glaube nicht, dass wir dieselben Vorstellungen von Ehre haben.« Nodon wandte sich zum Gehen. Gonvalon packte ihn beim Arm.
»Wir nennen uns beide Schwertmeister. Heute Nacht könnte sich zeigen, wer von uns beiden der bessere ist.« Gonvalon konnte in seinen Augen lesen, dass er jetzt seine ungeteilte Aufmerksamkeit hatte. »Hör mir einfach nur zu. Ich erzähle dir eine Geschichte. Sie ist nicht lang. Dann entscheidest du.«
Als Gonvalon seine Erzählung beendet hatte, sah Nodon ihn lange an. Schließlich nickte er. »Es ist tatsächlich eine Frage der Ehre. Ich werde mit dir gehen. Aber vorher verrätst du mir noch, warum du mich ausgerechnet hierherbestellt hast. Es hätte tausend bessere Orte gegeben, um einander unauffällig zu treffen.«
»Das Narbengesicht macht der Seidenen Ärger. Es könnte sein, dass wir ihn bald aus der Welt schaffen müssen. Ich hielt es für klug, sich den Ort, an dem er am häufigsten anzutreffen ist, ein wenig anzusehen.«
Nodon schwieg. Doch Gonvalon wusste, dass auch ihm nicht entgangen sein konnte, dass der Einarmige ihre Gastgeberin schlecht behandelte und sie vielleicht sogar zu Liebesdiensten zwang, auch wenn er das bislang nicht offen ausgesprochen hatte. Lyvianne war da weit weniger diskret gewesen. Sie hatte behauptet, Zarah verkaufe ihren Körper für Geld und Macht, und man solle ihrer Gastgeberin besser nicht trauen.
»Treffen wir uns in einer halben Stunde am Ausgang?«, brach Nodon schließlich sein Schweigen.
Gonvalon wunderte sich, dass er auf alles widerspruchslos einging. Allerding sprach Nodon nie sonderlich viel, und so trennten sie sich, um Koljas Haus zu erkunden.
Gonvalon unterhielt sich mit einigen der Damen. Dass er seine Silbermünzen auf seinem Schwertgurt so offen zur Schau stellte, machte es ihm leicht, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Er sah sich die Zimmer an, in die man sich zurückziehen konnte. Waren sie nicht belegt, standen die Türen weit offen. Der Elf versuchte, den Aufbau des Hauses zu begreifen. Wie es schien, bewohnte Kolja einen Raum in der ersten Etage, dicht bei einigen der Zimmer für Besucher. Einmal spürte Gonvalon Nodons bohrende Blicke. Ihm war klar, wie sehr er sich dem Schwertmeister Nachtatems auslieferte. Nandalee würde nichts von dem, was er in dieser Nacht tat, gutheißen. Er hatte nicht mit ihr darüber sprechen können, als er gestern die erste Spur gefunden und sich daraufhin mit Nodon verabredet hatte.
Zur vereinbarten Zeit trafen sie sich am Eingang. Gonvalon hatte Silber für Wein ausgegeben, um nicht in zu schlechter Erinnerung zu bleiben. Vielleicht müssten sie schon bald zurückkehren, und es wäre leichter, wenn sie nicht schon am Eingang abgewiesen würden.
Als sie die Treppe zur Straße hinaufstiegen, entdeckte Gonvalon den Spitzel. Der Glatzkopf zog sich in den Eingang eines Kaufmannshauses zurück, in der irrigen Hoffnung, dass sie ihn nicht bemerkten.
»Du wirst verfolgt?«, fragte Nodon mit verächtlichem Unterton.
»Ich wollte, dass er dich sieht – folge mir, aber lass nur mich reden.«
Außer ihnen dreien war niemand auf der Straße. Die beiden Monde Nangogs standen dicht über dem Horizont. Nicht weit entfernt klammerte sich ein Wolkensammler an einen Ankerturm. Die Decks des Himmelsschiffs waren hell erleuchtet. Musik drang bis zu ihnen hinab. Zu spät erkannte der Spitzel, dass es für ihn kein Entkommen mehr gab. Er hatte darauf vertraut, dass er in den tiefen Schatten des Eingangs verborgen blieb.
»Ein schöner Abend, Priester.« Gonvalon stand nun auf Armes länge vor dem
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