Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
würde.
G oldene Kaskaden
Endlich war der Boden unter Nandalees Füßen zur Ruhe gekommen und bäumte sich nicht mehr gegen die Stadt auf, die gegen den Willen Nangogs an den Hängen des Weltenmunds entstanden war und deren Abwässer den Großen Fluss in eine Kloake verwandelten. Fest drückte sie die Hand Gonvalons, der an ihrer Seite kauerte. Ihn neben sich zu haben hatte ihr gegen jede Ver nunft die Gewissheit gegeben, die Katastrophe zu überleben. Selbst als der Ziegelstaub der einstürzenden Häuser sie in dem engen Gewölbe des Torhauses fast erstickt hätte, hatte er eine solche Zuversicht und Gelassenheit behalten, dass auch Nandalee ihre Angst überwinden konnte.
Sanft zog er ihr das staubverklebte Tuch vom Mund und küsste sie, ohne sich darum zu scheren, was Eleborn und Nodon von ihnen dachten. Mit geschlossenen Augen genoss sie seine Zärtlichkeit und träumte davon, mit ihm auf eine lange Jagd in der Savanne jenseits des Jadegartens zu gehen. Keine Pflichten mehr zu haben, wieder eins zu werden mit der Wildnis und dem Krieg zwischen Himmelsschlangen und Devanthar zu entfliehen.
Nodons Räuspern zerstörte den Tagtraum. Noch hatte sie ihre Pflicht nicht erfüllt. Sie musste ihre Gefährten zurück nach Albenmark bringen. Lyvianne und Bidayn hatten sich entschieden, ihren eigenen Weg zu gehen. Nun ging es nur noch um Nodon, Eleborn und Gonvalon. Sie würden heimkehren, und zurück in Albenmark müsste sie vor den Himmelsschlangen Zeugnis ablegen, was geschehen war.
»Bald«, flüsterte Gonvalon und hielt sie nicht zurück, als sie sich aus seiner Umarmung löste.
Nandalee spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss, als Nodon und Eleborn sie ansahen.
»Macht euch keine Hoffnungen«, sagte Gonvalon gut gelaunt hinter ihrem Rücken. »Sie küsst nur mich. Ihr werdet niemals erfahren, wie es ist, mit beiden Füßen auf dem Boden zu stehen und doch zu schweben.«
»Ich finde die Erfahrung mit dem Erdbeben ging durchaus in diese Richtung«, entgegnete Nodon trocken. »Gehen wir nun?«
Gonvalons Anspielung hatte Nandalee nur noch verlegener gemacht. Sie trat in den staubverhangenen Innenhof. Zarahs Haus schien bis auf die eine eingestürzte Wand nur wenig Schaden durch das Erdbeben genommen zu haben. Auch der Türwächter hatte zwischen ihnen im Durchgang des Torhauses überlebt, obwohl seine geistige Verfassung sichtlich gelitten hatte. Er schlotterte immer noch, sei es nun wegen des Bebens oder wegen dem, was Lyvianne und Bidayn getan hatten.
»Wir sollten nicht zur Goldenen Pforte zurückkehren«, entschied Nandalee. »Wenn die Devanthar kommen, werden sie diesen Weg nehmen. Wir sind dort nicht mehr sicher. Sie werden sehr bald ahnen, dass Elfen hier waren, und so gut wir uns auch verkleiden, wenn sie die Welt durch das Verborgene Auge betrachten, sind wir so auffällig wie Melonen, die zwischen Erbsen liegen.«
Niemand widersprach ihr, und so traten sie an das rote Holztor, das hinaus auf die Straße führte. Steine verkeilten die Pforte, aber sie ließ sich so weit öffnen, dass sie sich hinauszwängen konnten. Der Anblick verschlug Nandalee die Sprache. Sie hätte nicht erwartet, dass Nangog die Stadt derart verwüsten würde. Die Göttin hatte ihr doch versprochen, dass sie die Goldene Stadt nicht vom Hang des Weltenmundes fegen wollte. Was Nandalee nun sah, ließ sich damit kaum in Einklang bringen. Nangog hatte sie angelogen … Oder vielleicht war es auch einfach nur so, dass die Vorstellungen eines einfachen Albenkindes und einer Schöpfergöttin nicht übereinstimmen konnten. Wenn das hier ein leichtes Beben war, was würde die Menschenkinder erwarten, wenn Nangog ihrem Zorn freien Lauf ließ?
Schweigend suchten sie sich ihren Weg zwischen Schutthalden und Häuserruinen, immer bergab. Nandalee hatte das Gefühl, dass die Viertel der Reichen und die Tempelbauten schwerer getroffen worden waren, denn als sie zu den Schilf- und Holzhütten nahe am Fluss gelangten, sahen sie weniger Verwüstungen. Feuer waren hier ebenfalls ausgebrochen, doch es sah aus, als könnten die Menschenkinder das Unglück, das über sie gekommen war, beherrschen.
Wieder bockte die Erde unter ihren Füßen auf. Die Menschenkinder, die eben noch mit Ledereimern gegen das Feuer gekämpft hatten, ließen von den Flammen ab und suchten die Sicherheit der breiten Straßen und Marktplätze. Einzelne Prediger hatten Menschentrauben um sich versammelt und riefen die Verängstigten dazu auf, ihre Götter um Hilfe
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