Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
Blesse auf seiner Stirn. Wenn sie doch nur in seinen Gedanken lesen könnte! Die übrigen Pegasi waren am Nachthimmel verschwunden. Er aber schien keine Eile zu haben, ihnen zu folgen.
»Wirst du mir erlauben, dich zu reiten?«, fragte sie leise.
Sternauge legte den Kopf schief und schnaubte leise. Es kam ihr fast wie eine Antwort vor. Sollte sie es wagen? Sie würde das Seil als Zaumzeug nutzen und den Sattel, den sie in ihrem Versteck verborgen hatte, zwischen seinen Schwingen auflegen müssen, um einen Halt zu haben, wenn sie auf seinem Rücken stand.
Ganz langsam bückte Nandalee sich und griff nach dem Hanfseil. Sie zog die Schlinge weit auseinander und hob sie vorsichtig an. Sternauge zuckte nicht zurück, als sie das Seil über seinen Kopf schob. Ebenso vorsichtig nahm sie den Sattel, der aus einem breiten Ledergurt bestand, dessen Sitzfläche aber verlängert und fast eben war. Auf diesem Sattel saß man nicht, Drachenelfen standen auf dem Rücken ihrer Pegasi. Mehrere aufgenähte Schlaufen gaben den Füßen in verschiedenen Standpositionen einen sicheren Halt. Die Innenseite war mit weichem Stoff gepolstert, damit der Sattel möglichst bequem für den Pegasus zu tragen war.
Es war Nandalee bewusst, dass den ungewohnten Sattel zu akzeptieren und das Festzurren des Ledergurts über sich ergehen zu lassen, für ein freies Tier die größte Überwindung war. Doch Sternauge schnaubte nur einmal leise und schlug mit seinem Vorderhuf in den staubigen Boden. Noch immer hielt er still und sah die Elfe aus klugen Augen an.
Nandalee legte die Hand flach auf seine Blesse und bereitete sich auf das Aufsteigen vor. Sie wartete, bis ihr Atem denselben Rhythmus wie sein Atem fand. Sie suchte die Verbindung mit seinen Kraftlinien und spürte, wie entspannt er war. Er hatte gewusst, dass sie kommen würde und dass es sein Schicksal war, mit ihr zu gehen. Was zwischen ihnen war, brauchte keine Worte. Seine Gefühle durchdrangen sie. Sie wusste um sein Leben, um seine Kämpfe. Er hatte beim Angriff des Drachen seine Stute und sein Fohlen verloren. Sein Leben, wie er es bisher geführt hatte, war zerfallen. Er war bereit, mit ihr zu gehen.
»Ich werde immer gut auf dich achten, Sternauge.«
Er mochte den Namen, den sie für ihn erwählt hatte, und drückte seine warmen Nüstern gegen ihren Hals. Ihr Pakt war besiegelt. Auf immer.
Sie schwang sich auf seinen Rücken, stellte die Füße in die Schlaufen, spürte, wie sich seine Muskeln unter dem Leder bewegten. Nandalee beugte sich leicht nach vorne, dann lief Sternauge gegen den Wind den Hügel hinab und durch das seichte Wasser, nahe beim Ufer. Immer stärker schlug sein Herz, und im gleichen Maße beschleunigte sich auch ihr Herzschlag. Das Wasser sprühte in tausend funkelnden Perlen im Mondenlicht und benetzte ihr Antlitz.
Dann hoben sie ab und flogen den Sternen entgegen.
D er Brunnen
Glamir schob den Riegel zurück und betrat die Kammer, die er seinen unerwünschten Gästen zugewiesen hatte. Zehn Tage hatte er sich Zeit mit seinem Besuch gelassen. Der kleine Raum war er staunlich sauber. Es roch zwar nach benutzten Windeln, aber auch ein wenig nach Parfüm. Er kannte diesen schweren Moschusduft zu gut. Amalaswintha legte ihn jedes Mal auf, wenn sie eine Stunde Freigang hatte. Sie machte alle Zwerge im Turm damit verrückt. Der Geruch blieb, selbst wenn sie schon gegangen war, noch eine ganze Weile in der Luft hängen. Glamir hatte beobachtet, wie seine Männer einfach die Arbeit Arbeit sein ließen, wenn sie vorüberging, sie angafften und noch lange danach mit geschlossenen Augen träumten. Wie hatte Eikin ihm das antun können? Wie hatte der Alte aus der Tiefe ihm eine Frau hierherschicken können?
Glamir spürte ein Jucken zwischen den Schenkeln. Selbst bei ihm hatte sie längst vergessene Gefühle erwachen lassen. Es war nicht gut, sie hier zu haben. Über kurz oder lang würde es Streit wegen Amalaswintha geben. Er sollte sie in Ketten legen und im Brunnen versenken. Vermutlich erwartete ihn dann dasselbe Schicksal. Dieses Flittchen hatte durchblicken lassen, dass der Alte in der Tiefe sie schätzte. Aber hätte er sie dann mit den Drachentötern hierhergeschickt? Vielleicht war das ja Eikins Art, diese Frau in Ketten zu schlagen und in einem Brunnen zu versenken.
»Wir fühlen uns geehrt, Besuch vom Herrn des Turms zu bekommen«, sagte sie mit rauchiger Stimme, die ihm ein angeneh mes Kribbeln im Bauch verursachte. Sie schaffte es, gleichzeitig an
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