Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
etwas Abstand zur Herde auf Wache standen.
Nahe einem dieser Plätze hatte sie ihr Versteck eingerichtet. Sie war gewaschen und dann mit Büffeldung eingerieben, sodass ihr Körpergeruch sie nicht verraten konnte. Alles, was sie jetzt noch brauchte, war Geduld und ein wenig Glück. Sie wusste nicht, ob ihr Hengst zu ihrem Versteck kommen würde. Sie wollte keinen anderen als den Rappen mit der sternförmigen Blesse auf der Stirn. Sternauge, das sollte ihr Pegasus sein, ein stolzes, mutiges Tier, das vor keinem Feind zurückschreckte, und sei er auch noch so übermächtig.
Bald hatte sich die Herde satt getrunken. Einige der jüngeren Tiere tollten im Wasser, während die älteren grasten. Keinen Augen blick ließ die Aufmerksamkeit der Hengste nach. Sie standen auf Hügelkuppen und beobachteten das weite Grasland, achteten auf verräterische Bewegungen im Büffelgras. Zu Nandalee kam ein Roter mit langen, wulstigen Narben auf der Flanke. Auch er schien ein Drachenkämpfer zu sein.
So schön die geflügelten Pferde anzusehen waren, sie waren auch Kämpfer. Nandalee kannte zahllose Geschichten um legendäre Kämpfe und Fluchten, die in der Weißen Halle und auch schon in der Höhle des Schwebenden Meisters erzählt worden waren. Geschichten darüber, wie Pegasi ihren Elfenreitern das Leben gerettet hatten, wie wuchtige Huftritte die Schädel von Angreifern platzen ließen wie Melonen. Manchmal war das Band zwischen dem Pegasus und seinem Reiter so eng, dass das geflügelte Pferd selbst dann nicht wich, wenn sein Elf im Kampf gefallen war. Sie hielten Wache bei dem Toten, bis andere Drachenelfen kamen oder sie selbst starben.
Der rote Hengst kam Nandalee so nahe, dass sie mit ausgestreckter Hand einen seiner Vorderläufe hätte berühren können. Sie wagte kaum noch zu atmen, blickte auf die mächtigen Hufe und dachte daran, wie viel Schaden sie anzurichten vermochten.
Eine Ewigkeit schien zu vergehen, bevor der Hengst den Hügel wieder verließ. Es war inzwischen dunkel geworden. In der Wasserstelle spiegelte sich das Licht der Sterne. Die ersten Pegasi flogen davon. Nandalee sank das Herz. Wie lange würde sie warten müssen, bis die Herde zurückkehrte? Wohin zogen sie weiter? Ihnen zu Fuß zu folgen war aussichtslos. Sie wusste, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als zu warten, bis sie zurückkehrten.
Nach und nach verließen alle Tiere das Wasserloch. Zuletzt war nur noch Sternauge übrig. Er ist der Erste, der kommt, und der Letzte, der geht, dachte sie. Ein Krieger. Zum ersten Mal überlegte sie, was es für die Herde bedeuten mochte, wenn sie ihr diesen Hengst nahm.
Sternauge drehte eine letzte Runde um die Wasserstelle, dann trottete er langsam ihren Hügel hinauf. Komm näher , dachte Nandalee. Noch ein wenig! Dies war ihre einzige Gelegenheit. Sie durfte nicht zu früh aufspringen. Los , feuerte sie ihn in Gedanken an. Noch etwas! Er kam in gerader Linie auf sie zu, hielt manchmal inne, zupfte ein wenig am hohen Gras und schritt weiter. Schließlich stand er unmittelbar vor ihr. Wieder hielt Nandalee den Atem an. Ihre Hände schlossen sich fester um das Hanfseil, mit dem sie ihn fangen wollte.
Sternauge beugte sich vor und fraß vom trockenen Gras ihres Tarnnetzes. Warum weidete er nicht vom frischen Gras rings herum? Hatte er …?
Der Hengst biss ins Netz und zog es mit einer energischen Kopfbewegung zur Seite. Nandalee rollte unter seinen Hufen weg. Er hatte die ganze Zeit über gewusst, dass sie dort war!
Mit einem Satz war sie auf den Beinen. Der Rappe wich ein Stück vor ihr zurück. Er schien keine Angst zu haben – er war wachsam, aber nicht aggressiv. Sternauge hätte sie in ihrem Versteck in den Boden trampeln können, während sie darauf vertraut hatte, dass ihre Tarnung sie vor seinen Blicken verbarg. Wie hatte er sie entdeckt? Ganz bestimmt hatte er sie nicht wittern können.
Sie standen einander gegenüber, maßen sich mit Blicken. Nandalee wusste nicht, was sie tun sollte. Jetzt wäre die Gelegenheit gewesen, ihr Lasso zu nutzen. Stattdessen ließ sie es fallen. Es kam ihr schäbig vor, ihm, der neugierig zu ihr gekommen war, die Freiheit zu rauben. Als Sternauge vorsichtig mit seinen Nüstern gegen ihre Brust stieß, strich Nandalee ihm über den Hals. Sein Fell war rau und staubig. Er schnaubte leise. Nie zuvor hatte sie erlebt, dass ein Wildtier so zutraulich war. Hatte er etwa auf sie gewartet? Nein, der Gedanke war abwegig!
Sie hob ihre Hand und berührte die sternförmige
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