Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
trank von dem warmen Blut, und als ihr erster Durst gestillt war, riss sie mit den Zähnen Fleischstücke aus der verendeten Gazelle.
Der Silberlöwe brach mit seinen langen Krallen den Leib des Tieres auf und begann, ebenfalls zu fressen. Immer und immer wieder grub Nandalee ihre Zähne in das Fleisch und spürte, wie der tote Leib ruckte, als der Löwe seinen Teil der Beute nahm. Mund an Mund lagen sie, als seien sie aus einem Wurf.
Als Nandalees Hunger und Durst gestillt waren, schlief sie erschöpft ein. Sie erwachte gestärkt im ersten Morgenlicht. Der Silberlöwe saß neben ihr, als wartete er auf sie. Die Jägerin fand die Kraft, sich aufzurichten. Ein schaler Geschmack lag ihr im Mund. Sie mied es, den Kadaver der Gazelle anzusehen. Sie würde vergessen, was in der vergangenen Nacht geschehen war. Sie lebte, allein das zählte.
Sie strebte den Felsen am Horizont entgegen. Bald spürte sie die Schwäche zurückkehren. Die zwei Tage in der Wüste hatten sie ausgezehrt. Sie fand nicht in den weit ausholenden, ausdauernden Schritt, mit dem sie durch die eisigen Weiten Carandamons und der Snaiwamark gestreift war.
Der Silberlöwe begleitete sie. Er blieb stets in Sichtweite, mal war er ein Stück voraus, dann ließ er sich wieder zurückfallen. Die Felsen wuchsen vor ihnen empor, und als die weiße Hitze der Mittagssonne die Wüste erneut in einen Glutofen verwandelte, erreichten sie die ersten Ausläufer der Berge. Nandalee flüchtete in den Schatten einer engen Schlucht und fand Wasser. Es war bra ckig, und Wasserlinsen trieben auf der Oberfläche. Dennoch trank sie. Sie musste sich beherrschen, nicht zu viel von der lauwarmen Brühe zu schlucken. Als sie ihren ersten Durst gestillt hatte, zog sie sich aus und wusch Staub und Blut von ihrem Leib.
Ihre aufgeschürfte Hand brannte. Die Wunde hatte sich entzündet. Sattgetrunken und schläfrig legte sie sich auf einen Fels und schlief erneut ein. Als sie erwachte, war es wieder Nacht. Der Silberlöwe war verschwunden. Sie wartete eine Weile, aber er kehrte nicht zu ihr zurück. Allein verließ sie die Schlucht und suchte nach der engen Klamm, die durch den Ring aus Felsen zur Oase hinführte.
Die Nacht schenkte Nandalee keine Erleichterung. Sie hatte das Gefühl, dass das Feuer der Wüste in ihr weiterbrannte. Ihre Kraft verließ sie wieder. Immer häufiger musste sie auf ihrem Weg innehalten und sich erschöpft an einen Fels lehnen. Immer länger wurden ihre Pausen. Wieder war sie stehen geblieben. Sie tastete nach ihrer Stirn, und kalter Schweiß benetzte ihre Finger. Fieber schüttelte ihren ausgemergelten Körper. Sie hörte das Rauschen von Schwingen und glaubte, Rosenduft zu riechen. War sie noch wach?
Sie kniff sich. Etwas Feuchtes drückte sich in ihr Gesicht. Ein großes, schwarzes Auge sah sie an. Verschwommen sah sie eine Blesse auf schwarzem Fell. Sternauge! Sie musste die Klamm zum Jadegarten erreicht haben. Er hatte auf sie gewartet.
Mit letzter Kraft zog sie sich auf seinen Rücken und krallte ihre Finger in die Lederschlaufen des langen Sattels. Um zu stehen, hatte sie keine Kraft. Seine Schwingen streiften ihr Gesicht, als er sich in den Sternenhimmel erhob. Nandalee dachte an die Pyramide im Herzen des Gartens. Sternauge schnaubte zum Zeichen, dass er verstanden hatte.
Es war kein langer Flug. Nandalee krallte sich verzweifelt in die Lederschlaufen auf dem Sattel. Sie hatte Angst, wieder ohnmächtig zu werden und aus dem Himmel zu stürzen. Klug wäre es gewesen, den Pegasus einfach durch die Klamm in das verborgene Tal preschen zu lassen. Aber kein Drachenelf, der sein Reittier gefunden hatte, hatte je diesen Weg genommen. Sie musste fliegen und vor der Pyramide landen, wenn sie nicht ihr Gesicht verlieren wollte.
Flötenspiel und sanfter Trommelschlag schlichen sich in ihr Bewusstsein. Fast hätte sie die Grenze zum Schlaf überschritten. Unter sich sah sie den weiten Garten Nachtatems. Fackeln beleuchteten die verschlungenen Wege. Auf einer Wiese nahe der Pyramide waren Zelte aufgeschlagen. Nandalee biss sich auf ihre spröden Lippen, damit der Schmerz die Benommenheit vertrieb. Das Fieber hatte sie fest im Griff. Sie versuchte sich aufzusetzen, doch die Schwungfedern des Pegasus streiften ihre Beine. Sie würde seinen Flug stören, wenn sie nicht fest im Sattel stand, so wie es sich für einen Pegasusreiter gehörte, hatte aber nicht die Kraft sich aufzustellen. So blieb sie auf seinem Rücken liegen, klammerte sich an die
Weitere Kostenlose Bücher