Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
übergelaufen. Auch der Hüter der Reichssiegel, etliche andere Würdenträger und der Satrap von Nari sind zu ihm übergewechselt. Sie haben den Reichsschatz gestohlen und befinden sich auf dem Weg zu den Luwiern. Ich war beim trockenen Fluss, als ich sie kommen sah. Ich habe versucht, sie aufzuhalten.« Ashot senkte den Kopf. »Es war ein kleines Heer.«
Artax schloss kurz die Augen.
Wir haben dir geraten, ihn zu töten. Von Kerlen wie Bessos hat man nichts Gutes zu erwarten. Hättest du seinen Kopf auf einen Speer vor deinem Zelt gesteckt, wäre dir dieser Verrat erspart geblieben. Als Išta den Unsterblichen Muwatta enthauptet hat, haben alle sehen können, dass wir nicht unbesiegbar sind. Nun werden sie dich auf die Probe stellen und versuchen, dein Blut zu vergießen. Die Flucht des Bessos wird ein Zeichen für alle unzufriedenen Satrapen sein, sich gegen dich zu erheben. Und durch deine verrückten Gesetze, den armen Bauern Land zu schenken, hast du dafür gesorgt, dass fast alle deine Satrapen unzufrieden sind.
Verzweifelt kämpfte er gegen den Impuls an, sich mit beiden Händen an die Schläfen zu greifen. Er wollte diese Stimmen nicht hören. Und doch wusste er tief in seinem Herzen, dass sie recht hatten. Er nickte dem drusnischen Wagenlenker zu. »Du weißt, was du zu tun hast, Mikayla. Geh!« Dann wandte er sich an Ashot. »Wie viele folgten Bessos?«
»Ich weiß es nicht … Vielleicht hundert Streitwagen und auch einiges an Fußvolk.«
»Ruf meine Leibwache, und lass meinen Streitwagen an schirren!«
Ashot schüttelte den Kopf. »Das werde ich nicht tun, Herr. Lasst mich vierteilen oder pfählen, aber ich werde Euch nicht helfen, Euch umzubringen. Ihr wollt allein in das Heerlager der Luwier? Nachdem Ihr sie gedemütigt habt? Keiner kennt den Unsterblichen Labarna. Niemand weiß zu sagen, ob er ein Mann von Ehre ist.«
Artax war überrascht, mit welcher Leidenschaft Ashot auftrat. »Ich werde meine Rüstung anlegen und meinen Streitwagen anschirren lassen. Eine Stunde gebe ich dir, ein angemessenes Gefolge zusammenzustellen. Es soll eindrucksvoll sein, aber nicht so groß, dass die Luwier glauben könnten, wir greifen wieder an. Und lass deine Wunde versorgen. Das sieht übel aus.«
»Nur eine Schramme, Herr. Kopfwunden bluten stark. Ich werde mit Euch gehen.«
V on Freiheit und Rache
Bamiyan war immer noch erschüttert. Den Tränen nahe blickte er auf den toten Schamanen. Solange er zurückdenken konnte, war Gatha der Sprecher des Steinrates gewesen. Sein Wort hatte entschieden, was Recht war. Alle Stämme in den Bergen Garagums hatten sich seinem Willen unterworfen. Er war ein harter Mann gewesen, aber auch ein Friedensstifter.
»Es muss Barnaba gewesen sein. Ich habe Spuren eines Mannes gefunden, der sich auf einen Stock stützt. Sie führen in Richtung des Schlangentores«, sagte er.
»Auch ich kann Fährten lesen«, entgegnete Ormu. Der rot bärtige Jäger schnippte einige der Maden zur Seite, die aus dem klaffenden Schnitt im Hals des Schamanen hervorquollen und betrachtete die Wunde nachdenklich. »Ich finde, du bist etwas vorschnell mit deiner Meinung. Seit der Schlacht gibt es viele Männer, die sich auf eine Krücke stützen.«
Bamiyan verstand die Zurückhaltung des Jägers nicht. »Gatha muss seinen Mörder gekannt haben. Einen Fremden hätte er niemals so nahe an sich herangelassen, dass er ihm mit einem überraschenden Schnitt die Kehle durchtrennen kann.«
Ormu nickte. »Das klingt einleuchtend.«
»Und seit wir ihn von der Daimonin befreit haben, war der Heilige Mann seltsam. Hast du seine Augen gesehen?« Bamiyan fuhr jetzt noch ein Schauer über den Rücken, wenn er an die Blicke Barnabas dachte. »Er war immer noch besessen!«
Ormu sah ihn lange an. Seine dunklen Augen waren wie Abgründe. Ihn schien der Mord an Gatha überhaupt nicht zu berühren. Vielleicht dachte er schon darüber nach, wie er sich zum Sprecher des Steinrates aufschwingen konnte.
»Nehmen wir einmal an, der Heilige Mann war der Mörder.« Er hob einen Arm des Toten an und ließ ihn wieder zu Boden sin ken, was Bamiyan als ziemlich respektlos empfand. »Gatha ist nicht mehr starr. Er ist also schon länger als einen Tag tot. Die vielen Maden sprechen auch dafür. Ein Tag! Und unser Mörder ist durch das Schlangentor geflohen. In der Zeit wurden Wege nach Akšu und Nari geöffnet, zur Tempelstadt Isatami in Luwien und ins ferne Nangog, und wer weiß, wohin sonst noch. Tausende Männer sind durch
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