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Drachenelfen

Drachenelfen

Titel: Drachenelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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ein Krieger, auch wenn die Narben auf seinen Armen in Lyviannes Augen kein Hinweis auf außerordentliches Geschick waren. Aber die Drus sahen das anders. Wer ohne Narbe aus einem Kampf zurückkehrte, war für sie ein Feigling. Die Drus hatten einen seltsamen Ehrenkodex. Sie töteten Feinde nur dann, wenn sie ihnen im Kampf mindestens ebenbürtig waren. Das war leichtfertig, dachte Lyvianne.
    Sie schienen auch davon überzeugt zu sein, dass die Seelen derjenigen, die sie im Kampf töteten, ihnen folgten. Es war wichtig, in einen Geisterwald zu kommen, um sich dort zu reinigen. Das konnte durch Rauch geschehen oder auch durch Wasser. Sie schmunzelte. Vielleicht bestand ja noch etwas Hoffnung, dass er gewaschen war, wenn sie einander gegenüberstehen würden.
    Erst nach der Reinigung durfte ein Krieger eine ihrer Siedlungen betreten. Und erst dann durfte er bei einer Frau liegen. Ihr kleiner Fürst war sehr lange bei keiner Frau mehr gewesen. Sie würde leichtes Spiel mit ihm haben. Diese Narren glaubten, die Seelen der Erschlagenen könnten in den Leib des ungeborenen Kindes fahren, wenn das Reinigungsritual nicht erfolgt war.
    Eine Fratze starrte sie aus dem Nebel an. In der Ferne erklang ein Geräusch wie dumpfer Glockenklang. Die Barbaren schnitten Gesichter in die Stämme und setzten blutrote Steine als Augen, die von der nachwachsenden Rinde mit wulstigen Lidern umfangen wurden.
    Wieder ertönte der dumpfe Glockenlaut. Das Geäst rauschte im Wind. Die Blätter flüsterten von den Geheimnissen der Toten, die mitten unter ihnen beigesetzt waren. Lyvianne konnte sie riechen, die Leichen! Sie lagen auf hölzernen Gerüsten, hoch im Geäst der ältesten Bäume. Die Tiere des Waldes fraßen von den Kadavern. Und was die Aasfresser nicht holten, verrottete.
    Lyvianne verharrte und ließ den Wald auf sich wirken. Der
Wind verwirbelte den Nebel. Ab und an stach ein silberner Lichtstrahl durch das Geäst. Hoch am Himmel, vor ihren Blicken verborgen, leuchtete der Mond in all seiner Pracht. Es war ein kühler Herbstabend. Der modrige, schwarze Waldboden atmete die Wärme des Tages in die Nacht.
    Sie öffnete ihr Verborgenes Auge. Kein Tier regte sich, obgleich sie die Auren der Waldbewohner wahrnehmen konnte. Sie schienen verschreckt. Und auch sie spürte, dass fremde Kräfte in diesem Wald wirkten. Die Menschen waren keine Zauberweber, das wusste die Elfe ganz sicher. Aber hier in Drus war man überzeugt davon, dass Götter in den Wäldern lebten. Und Geister.
    Lyvianne sah die Kraftlinien, die einem nahe gelegenen Albenstern entgegenstrebten. Ganz nah bei der magischen Pforte hatten die Drusnier einen Menhir errichtet. Einen grauen Stein von einer Art, wie man in weitem Umkreis keinen zweiten fand. Unter dem Moos, das auf ihm wucherte, waren Spiralen in seine verwitterte Oberfläche gegraben. Das Muster fing einen Teil der Kraft des Albensterns ein und leitete sie in die umstehenden Bäume ab. Welchem Zweck das diente, vermochte Lyvianne nicht zu erraten, doch daran, dass Zauber an diesem Ort wirkten, gab es keinen Zweifel. Auch ihr Zauber würde durch die Kräfte des Waldes und des Menhirs verstärkt werden.
    Lyvianne hatte vor drei Tagen den Geisterwald entdeckt und ihn seitdem beobachtet. Vorher war sie mehr als eine Woche durch die Wälder von Drus gestreift und hatte sich davon überzeugt, dass ihr niemand folgte. Sie war sich dessen bewusst, dass sie früher oder später die Aufmerksamkeit eines Devanthar erwecken würde. Wahrscheinlich waren sie in der Lage, den Spuren zu folgen, die ihre Magie, für Menschen unsichtbar, im Gespinst jener Kraftlinien hinterließ, die sich durch alle Welten zogen. Deshalb wob sie nur selten einen Zauber. Und sie hatte auch nur einen Mord begangen. Das war unerlässlich gewesen. Sie hatte sich einen Schweinehirten gepackt und von ihm Grundkenntnisse über das Volk der Drusnier, ihre Wälder und ihren Aberglauben
erworben. Und vor allem ihre Sprache. Leider verkrafteten die meisten Menschenkinder es nicht gut, wenn man ihre Köpfe entleerte. Auch zehrte der Zauber, den sie wob, an der Lebenskraft ihrer Opfer. Lyvianne hatte den Kadaver des Schweinehirten verbrannt. Der Anblick seines Leichnams, nachdem der Zauber vollendet war, hätte sicherlich für einiges Aufsehen unter den Drusniern gesorgt. Die letzten Überreste des Kerls ruhten tief im Waldboden unter einer Schicht von

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