Drachenelfen
Trinkhörner und etliche Waffen, die leise klingend aneinanderschlugen. Dort, wo eben noch die gestürzte Eiche gelegen hatte, erhob sich nun eine Esche, an der ein groÃer Kupferkessel mit der Ãffnung nach unten aufgehängt war. In seinem Inneren pendelte eine Kelle wie der Klöppel in einer Glocke.
Farndickicht wucherte auf der Lichtung. Ein Mädchen mit blassem Gesicht und rotblondem Haar schlich geduckt durch den Farn. Sie trug ein schwarzes Hemd und dunkle Hosen. Sie bewegte sich ungewöhnlich geschickt für eine Menschentochter. Ihre ganze Aufmerksamkeit war auf das Heiligtum gerichtet. Nach kurzem Zögern zwängte sie sich durch den engen Eingang und verschwand. Plötzlich hatte Lyvianne das Gefühl zu stürzen. Der Wald ringsherum ertrank in Finsternis. Einen Atemzug lang nur. Dann war sie wieder von Nebel umfangen. Sie war gestürzt und kniete auf dem weichen Waldboden. Es war nicht das erste Mal, dass eine Vision sie überfallen hatte. Sie war Zeugin eines zukünftigen Ereignisses geworden, das bei diesem Heiligtum stattfinden
würde. Das junge Mädchen würde Einfluss auf das Schicksal Albenmarks haben, dessen war sich Lyvianne ganz sicher. Aber es war ihr unmöglich zu schätzen, wann sich diese Szene ereignen würde.
Lyviannes Finger gruben sich in den dunklen Waldboden. Schritte kamen ihr entgegen. Die Vision war vorüber. Sie wusste nie, wie viel Zeit vergangen war, wenn sie aus einem der unerwünschten Ausblicke in die Zukunft aufschreckte.
Sie wollte aufstehen, als plötzlich ein Mann vor ihr stand. Der Krieger. Er schien mindestens genauso überrascht wie sie zu sein.
»Wer bist du?«
Statt zu antworten, zeigte sie ein wohleinstudiertes scheues Lächeln.
Er streckte ihr die Hand entgegen. Er sah auf eine barbarische Art gut aus. Der Krieger trug nur eine Hose, sein Oberkörper war nackt. Wasserperlen von der rituellen Waschung schimmerten auf seiner Haut. Das blonde Haar trug er offen, sodass es ihm in dichten Strähnen auf die Schultern fiel. Ein struppiger, unregelmäÃig gestutzter Bart gab ihm eine verwegene Note. WeiÃe Zähne blitzten im goldenen Bart. »Ein so hübsches Weib sollte nicht allein im Geisterwald sein.«
»Ich finde, dies ist genau der richtige Ort für mich.« Erneut ein kokettes Lächeln. »Es tut mir nicht leid, dir begegnet zu sein.« Lyvianne war sich bewusst, dass sie mit einem breiten, bäurischen Akzent sprach, der in auffälligem Gegensatz zu ihrem kostbaren Kleid und ihrer gesamten Erscheinung stand.
»Wer bist du?«
»Lyvianne.«
Er runzelte die Stirn. »Das ist kein Name von hier.«
Bei den Alben! Hatten denn all diese Waldmenschen Hühnerhirne? War er es überhaupt wert? Ihr Meister wollte die Geschichten, die man sich in den Wäldern über Drachen erzählte. Der Schweinehirte hatte kaum etwas gewusst. Ein adliger Krieger aber,
der seine Kindheit auf einem groÃen Hof verbracht hatte, auf dem regelmäÃig fahrendes Volk einkehrte, würde ein ganzer Schatz von Geschichten sein. Sie durfte nicht zögern!
Lyvianne erhob sich und strich ihm mit ihrer Hand über die Brust. Kleine schwarze Erdbröckchen blieben in seinem Brusthaar hängen. Er atmete scharf ein.
»Hast du Angst vor Fremden?«
Der Krieger lachte, doch hörte sie deutlich einen Unterton der Unsicherheit. »Sehe ich aus, als hätte ich vor irgendetwas Angst? Ich komme gerade aus dem Krieg. Ich habe drei Feinde erschlagen. GroÃe, stattliche Männer. Krieger, die es wert waren, mit ihnen die Klinge zu kreuzen.«
Lyviannes Hand glitt zum Schwert an seiner Seite. Ihre Fingerspitzen streichelten über den breiten Knauf der Waffe. »War es dieses Schwert, mit dem du das Blut vergossen hast?«
»Ja.« Seine Stimme klang belegt.
Ihre Hand wanderte ein wenig tiefer, umschloss den mit schweiÃdunklem Leder umwickelten Griff und bewegte sich spielerisch auf und ab. »Wie ist es, einen Mann zu töten?«
»Ãrgerlich.«
Seine Antwort überraschte sie. Sie hielt inne und blickte zu ihm auf. Wollte er sie foppen? Nein, er wirkte ernst.
»Töte ich einen schlechten Kämpfer, fühle ich mich beleidigt, weil man einen Stümper für wert hielt, gegen mich anzutreten. Treffe ich aber auf einen würdigen Gegner, dann hat der Sieg einen bitteren Beigeschmack, denn solch ein Mann hätte nicht im Staub eines Schlachtfelds
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