Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenelfen

Drachenelfen

Titel: Drachenelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
Vom Netzwerk:
allen Streites. Sie lebte nun mehr als ein
halbes Jahr in der Weißen Halle und ihr Name war in aller Munde. Alle Schüler verfolgten ihren Streit mit den Meistern, den Drachenelfen. Zunächst hatte sie ihren Bogen als Holzskulptur gepriesen. Dann hatte sie die Frechheit besessen, ihren Bogen als ein Saiteninstrument zu bezeichnen, und ihm bei einem Vorspiel bei den Meistern der Weißen Halle unvergesslich jämmerliche Töne entlockt. Darauf angesprochen, hatte sie sich höflich entschuldigt und gesagt, sie habe nicht genügend Zeit gehabt, ihr Instrument angemessen zu erlernen. Allen Meistern war bewusst, dass Nandalee die besondere Aufmerksamkeit des Dunklen besaß, des ältesten aller Drachen. Das hatte sie offensichtlich zu dem Trugschluss verleitet, sie könne sich jede Frechheit erlauben. Gonvalon dachte mit Scham daran, dass er zu den Fürsprechern Nandalees gehört hatte. Sie hatten ihr ein halbes Jahr gewährt, ihr Spiel zu verbessern.
    Schon drei Tage später hatte Gonvalon gewusst, dass sie niemals die Absicht gehabt hatte, mit ihrem Bogen eine andere Kunst zu praktizieren, als zu schießen. Er hatte sie gewähren lassen und die anderen Meister nicht unterrichtet. Wenn seine Schüler im Schwertkampf Talent erkennen ließen, lehrte Gonvalon sie einen Waffentanz, der ohne jede Melodie auskam. Es waren einhunderteinundzwanzig Figuren, Paraden und Angriffe, die es in Harmonie auszuführen galt. An schönen Tagen versammelte er seine Besten um sich und sie alle gemeinsam übten den Tanz der Krieger. Sieben Schülerinnen und Schüler, die sich in vollkommener Konzentration im Gleichklang miteinander bewegten. Er traf sich mit ihnen tief im Wald und hatte sie schwören lassen, anderen von diesen Stunden nichts zu berichten. Gonvalon befürchtete den Spott der anderen Meister. Schwertkampf und Tanz miteinander zu verbinden war ungewöhnlich . Und er galt schon jetzt als ungewöhnlich genug.
    Auch Nandalee hatte er in diesen verschworenen Zirkel aufgenommen. Anders als ihre Freundin Bidayn, die in letzter Zeit erstaunlich schnell in Angriff und Verteidigung geworden war,
hatte die rebellische Nandalee die innere Harmonie im Kampf erfühlt. Ihre Fechtkunst war nicht nur effektiv, sie war schön anzusehen. Und weil sie sich in allen Unterrichtsstunden vorbildlich bemühte, hatten die Meister Nandalee ein halbes Jahr lang mit ihrem Bogen gewähren lassen.
    Und nun stand Nandalee auf einer weiten Wiese nahe der Schule erneut vor ihren Meistern. Sie trug das Gewand der Weißen Halle, ein enges, ärmelloses Kleid mit Stehkragen, an den Seiten hoch geschlitzt, sodass man sich gut darin bewegen konnte. Dazu weite, weiße Hosen und fast kniehohe, weiche Stiefel. Ihre Kleider waren ohne Schmuckborten, einfach nur weiß. Sie waren frisch gewaschen und gebleicht. Seit ihrer ersten Begegnung, als sie nach ihrem unfreiwilligen Bad nackt und frierend im Schnee gestanden hatte, hatte Gonvalon sie noch nie so sauber gesehen. Ihr Haar war zurückgekämmt und zu einem Pferdeschwanz hochgebunden. Nur eine kleine Strähne, die über ihrem linken Ohr herabhing, war ihrem plötzlichen Sinn für Ordnung entgangen. Es war unübersehbar, dass sie sich bemühte, einen guten Eindruck zu hinterlassen und allen zu zeigen, dass sie sich zumindest an einige der Regeln der Weißen Halle hielt. Allerdings war auch der erbärmliche Zustand ihrer Kammer allgemein bekannt. Aber damit hatte sie gegen keine der niedergeschriebenen Satzungen der Weißen Halle verstoßen. Bisher hatte es hier niemand für möglich gehalten, dass man sein eigenes Zimmer in einen solchen Müllhaufen verwandeln könnte. Gonvalon hatte es als verschrobenen Teil ihrer Rebellion aufgenommen, aber er wusste nur zu gut, dass etliche andere Drachenelfen dadurch bis aufs Blut gereizt waren. Ganz zu schweigen von den Kobolden, die sie hassten und fürchteten und ihr nach Möglichkeit aus dem Weg gingen.
    So, wie sie vor dem Tribunal stand — gerade so weit angepasst, wie es notwendig war, mit stolzem Blick und aufrechter Haltung –, gefiel sie ihm. Wieder dachte er an ihren bloßen, vom Feuerschein beschienenen Körper im Schnee. Sie war eine Schönheit. Nicht im herkömmlichen Sinn. Ihr Gesicht war ein wenig zu hart.
An ihren Armen zeichnete sich jeder einzelne Muskel ab, wenn sie sich bewegte, obwohl ihre Glieder durchaus noch schlank waren und nicht zu

Weitere Kostenlose Bücher