Drachenelfen
schenken. Seither war Datames einer der heimlichen Herrscher des Palastes von Akšu.
Er war kein Tyrann und er wusste, dass man über ihn spottete, weil ihm kein Bart wuchs. Anfangs hatte man noch gedacht, er sei so jung, aber jetzt glaubte im Harem die Mehrheit der Frauen, er stamme von einem fremden Volk weit im Westen. Auf den Inseln in der Meerlunge oder vielleicht auch von den Schwimmenden Inseln. Dort wuchs den Männern kein Bart, so hieà es, und die Weiber konnten sich in Fische verwandeln. Es gab sogar die verrückte Geschichte, Datames wüchse auch auf dem Kopf gar kein richtiges Haar, sondern Fäden aus reinem Gold. Aya musste lächeln. Es gab auch im Harem Frauen mit goldenem Haar. Es war kostbar, sicherlich, aber kein Metall. Das war gewiss auch bei Datames nicht anders. Da glaubte sie schon eher an Weiber, die sich in Fische verwandelten. Vielleicht, so dachte sie, trug er ja auch eine Perücke und ihm spross in Wahrheit nirgends ein Haar. Wer wusste das schon? Wann immer er seine Kammer verlieÃ, hatte er den Kopf bedeckt. Er trug eine auffällige hohe Haube, auf die zwei übereinanderliegende Paare Hörner aufgestickt waren. Darunter wickelte er noch einen Schal um seinen Kopf. Ganz gleich, wie heià es war. Das tat kein Mann mit Haaren auf dem
Kopf! Es hieà auch, er schwitze niemals und sein Blut sei kalt wie das einer Echse.
Es gab zu viele Geschichten um Datames, als dass man dahinter noch eine Spur von Wahrheit hätte erahnen können. Aber die seltsamste Geschichte um den Hofmeister kannte nur sie. Dass er sich eines Nachts als Bauer verkleidet in die Neue Welt davongeschlichen hatte. Warum hatte er das wohl getan? Er, der mächtig wie ein Satrap war. Er hätte jederzeit ganz offen mit einer der Karawanen ziehen können und wäre in einer Sänfte hinübergetragen worden. Warum hatte er diesen Weg gewählt? Was hatte er zu verbergen?
Sie würde es ergründen, hatte Aya entschieden. Und wenn sie die Antwort gefunden hatte, würde diese ihr auch ihren Weg durch die Pforten des Palastes weisen. Wenn sie erst sein Geheimnis kannte, würde sie ihn erpressen. Sie wusste auch schon, wie sie es anstellen würde. Wenn der Göttliche mit einigen seiner Vertrauten ein Mahl im Harem einnahm, zogen er und seine Begleiter stets die Schuhe aus. Datames würde eine Botschaft in einem seiner Schuhe finden, wenn er wieder ging. Er würde niemals herausfinden können, welche der Haremsdamen sie dort hineingesteckt hatte.
Aya dachte an die Freiheit. Die richtige Freiheit und nicht nur die, über dem Harem auf einem Dach zu liegen. Sie würde sich ihr Schweigen mit einem Beutel voller Edelsteine bezahlen lassen â und mit der Flucht aus dem Harem. Und sie würde dafür sorgen, dass der Hofmeister befürchten musste, dass sein Geheimnis ans Tageslicht kam, wenn ihr etwas zustieÃ. Dieser letzte Teil ihres Planes war noch nicht ganz ausgereift. Aber das würde schon noch werden! Klugheit und Mut öffnen dir letztlich jede Tür , hatte ihr Vater immer gesagt. Er musste es wissen, denn er hatte es geschafft, seine Tochter in den Harem des Unsterblichen zu bringen. Und es gab nur wenige Türen im Reich Aram, die sich so schwer öffneten wie die des Harems.
Sie erinnerte sich an ihren ersten Tag im Palast, als sei es erst
gestern gewesen. So voller Stolz war sie damals hierhergekommen, eine der Auserwählten zu sein. So dumm war sie gewesen! Aber sie war klug und mutig, und sie konnte klettern und schleichen wie eine Katze. Sie würde sich auch die Pforte in die Freiheit öffnen! Entschlossen rollte sie herum und eilte geduckt an der Brüstung des Flachdachs entlang. Diese Nacht war besser gewählt, denn der Mond war nur noch eine schmale Sichel, die kaum Licht spendete. In ihrer Heimat hatten sie ihn den Meuchlermond genannt, denn die Nächte, in denen er den Nachthimmel regierte, waren wie geschaffen für dunkle Taten.
Wieder hörte sie die Löwen in den Höfen. Wie konnte man seine Weiber nur durch Löwen bewachen lassen! Das war grausam! Traute er den Eunuchen nicht zu, dass sie wachsam genug waren? Krieger, die nicht entmannt waren, durften nicht einmal auf die Höfe in der Nähe des Harems. Und all dies, um Frauen zu beschützen, von denen er manche noch nicht einmal angesehen hatte.
Manchmal stellte sich Aya vor, wie der Unsterbliche von seinen eigenen Löwen zerfleischt wurde. Und dann
Weitere Kostenlose Bücher