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Drachenelfen

Drachenelfen

Titel: Drachenelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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dachte sie wieder, dass er vieles vielleicht gar nicht wusste, das in seinem Palast vor sich ging. Dafür hatte er ja Diener wie den Hofmeister. Nach dem Himmelssturz war er so zärtlich gewesen. In jener Nacht hatte sie eine Ahnung bekommen, wie sich wahre, unschuldige Liebe anfühlen mochte. Sie wollte das wieder erleben! Und sie wusste, es würde nicht mit dem Unsterblichen sein.
    Aya eilte über eine Mauerkrone zum nächsten Dach. Sie setzte ihre Schritte sicher und schnell. Das Knurren, das sie begleitete, versuchte sie zu ignorieren. Verdammte Löwen, sie machten ihr Angst. Die Bilder der Hinrichtungen in der Löwengrube drängten sich in ihre Erinnerung. Die Schreie der Frauen. Niemand sollte so sterben! Manchmal hatten die Raubkatzen mit ihren Opfern gespielt. Wie Hauskatzen mit Mäusen. Sie schluckte hart. Manche Frauen im Harem fürchteten, dass Aaron wieder so werden könnte wie früher. Er stand unter zu großem Druck, der bevorstehende
Krieg mit Luwien beherrschte all seine Gedanken, und kaum jemand glaubte, dass er ihn gewinnen konnte. Früher war er nach Misserfolgen besonders grausam gewesen. Ein falscher Blick hatte dann schon gereicht, um die Bestie zu wecken, die in ihm schlummerte. Aber bis zu der großen Schlacht würden noch fast drei Jahre vergehen. Bis es so weit war, wäre sie längst nicht mehr hier.
    Sie lief über ein weiteres Flachdach. Wartete hinter einer Brüstung kauernd ab, bis die Wache auf der nahe gelegenen äußeren Mauer im Eckturm verschwunden war, und arbeitete sich weiter voran. Der Weg über die Dächer und Mauern war fast drei Mal so lang wie der über die Höfe. Sie musste Umwege in Kauf nehmen, und je weiter sie sich vom Harem entfernte, desto vorsichtiger wurde sie. Die Wachen waren in diesem Teil des Palastes zahlreicher. Dafür gab es keine Löwen mehr.
    Endlich erreichte sie das Haus, in dem die Gemächer des Datames lagen. Selbst im Licht des Sichelmondes waren die glasierten Ziegelsteinreliefs der Außenwände noch zu erkennen. Sie schimmerten wie Wasser. Goldene Löwen schritten majestätisch vor blauem Hintergrund. Das Haus des Hofmeisters war ein kleiner Palast innerhalb des Palastes. Es gab dort einen großen Empfangssaal, wo Bittsteller vor ihn traten oder er mit anderen Würdenträgern die tausend kleinen und großen Geschäfte des Hofstaats besprach.
    Sie überquerte das Dach des Saals und spähte auf einen kleinen Hof hinab. Dort wuchs eine kunstvoll beschnittene Zypresse, deren Stamm in Spiralen gewachsen war. Es gab Blumenbüsche und einen kleinen Teich, in dem sich zwischen Seerosen, dicht unter der Wasseroberfläche, helle Fische bewegten.
    Aya sprang in das Geäst des Baumes. Laub raschelte. Ein dünner Ast brach und fiel hinab auf einen gepflasterten Weg. Sie drückte sich dicht an den Stamm und lauschte. Gab es hier Wächter? Hatte sie Datames aufgeschreckt? Sie wollte den Hofmeister unbedingt überraschen! Es war wichtig, dass sie ihm allein gegenübertrat.
Sollte er in Gesellschaft sein, wäre alles verloren. Er würde sie nicht anhören, sondern sofort abführen lassen. Traf sie ihn aber allein an, dann hatte sie bereits zur Hälfte gewonnen. Dann konnte er nicht einfach die Wachen rufen. Ein hoher Würdenträger, in dessen Gemächern sich eine Haremsdame aufhielt … Dieser Lage würde auch er nicht ohne Schaden entkommen.
    Der Hof blieb still, und erleichtert kletterte sie den Baum hinab, hob den abgebrochenen Ast auf und schob ihn in einen dichten Busch. Der Garten war zu geordnet. Schön, ohne Zweifel, aber nicht natürlich. Den Bäumen und Zierbüschen war ein fremder Wille aufgezwungen. Sie waren nicht nur beschnitten wie in jedem Garten. Ihre Äste erhoben sich in geradezu unheimlicher Symmetrie. Nirgends sah sie ein welkes Blatt oder eine Blüte, die nicht vollkommen in Wuchs und Farbe war. Der Garten war von solcher Schönheit, dass er Aya beunruhigte. Sie sah zu dem Baum zurück. Der fehlende Ast war leicht zu entdecken. Aber hatten Wächter einen Blick für so etwas? Wohl kaum! Es gab ohnehin kein Zurück mehr. Es war zwar möglich gewesen, vom Dach in die Baumkrone zu springen, doch könnte sie in der Krone nicht weit genug nach oben steigen, um nach der Dachkante zu greifen.
    Sie hielt sich im Schatten und überquerte den Hof. Es gab keine Fenster hin zu den privaten Gemächern des

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