Drachenelfen
Besuch in
der Blauen Halle. Dort hatte sie ihn beeindruckt. Sie hatte es geschafft, über sich selbst zu triumphieren. Ihren Trotz abzulegen. Sich zu den Magistern zu bekennen, die sie mit Prügel empfangen hatten. Das war groÃ!
Er stieg aus dem kalten Bach. Der Steinstaub war von seinen Gliedern gespült.
Einmal mehr dachte Gonvalon an ihre erste Begegnung. Wie sie nackt im Schnee gestanden hatte. Gehetzt. Dem Tode nahe. Eis im Haar. Sie war anders als alle Schülerinnen, die man ihm bisher überantwortet hatte. Sie war ihm ähnlich. Ausgesetzt in einer Winternacht. Ihrem Schicksal überlassen. Schon damals hatte er sich zu ihr hingezogen gefühlt. Er hatte sie in derselben Stunde gefunden, in der Talinwyn ihr Leben verloren hatte. Alles ging ineinander über. Geburt, Liebe, Tod. Nandalee war verloren. Sie hatten sie zu seiner Schülerin gemacht, obwohl er sich dagegen gewehrt hatte. Und nun kam sie und forderte ihn heraus. Welchen Unterschied machte es, wenn er zum Wald bei der Quelle ging? Sie beide waren verdammt. Eine neue Liebe würde ihn von seinen Seelenqualen ablenken. Für ein paar Monde zumindest. Erlösung gab es nicht. Diese Hoffnung hatte er schon lange aufgegeben. Wärme und Geborgenheit würden nie auf Dauer in sein Leben treten. Sie würden ihm immer wieder entrissen werden â so wie sie ihm als Kind geraubt worden waren. Und eines Tages würde er an seiner Verzweiflung verbrennen. Auch das gehörte zu seinen frühesten Erinnerungen. Vielleicht hatte ihm die Vorstellung geholfen, in der Eiseskälte zu überleben. Er würde nicht erfrieren â er würde brennen. Kälte konnte ihm nichts anhaben, ganz gleich, wie lange er sich in eisigen Gebirgsbächen wusch.
Langsam wandte er den Kopf und blickte gen Osten. Dorthin, wo der Wald mit der Quelle lag. Ja, er war ein Narr. Aus Feuer war er geboren â und es war das Feuer, das eines Tages sein Schicksal besiegeln würde.
E IN VON DEN GÃTTERN VERLASSENER ORT
Drei Tage folgten sie der blauen Galeere. Sie blieben nicht unbemerkt, aber das Glück war auf ihrer Seite. Als das Schiff der Piraten sie zu stellen versuchte, gelang es ihnen, zwischen den Riffen einer kleinen Insel in seichtes Fahrwasser zu entkommen. Dorthin konnte die viel gröÃere Galeere ihnen nicht folgen. Als dann noch der Gezeitenstrom wechselte und die Ebbe einsetzte, musste die Galeere endgültig zurück auf See.
Artax hoffte auf den Hochmut der Piraten und darauf, dass die Galeere sie schlieÃlich zum Versteck der Flotte führen würde. Was konnten drei Fischer, denen man auf die Köpfe gepisst hatte, schon gegen eine ganze Flotte ausrichten?
Und endlich, am dritten Tag, wurde ihre Ausdauer belohnt. Das blaue Schiff steuerte eine Bucht an, über deren enger Zufahrt zwei hohe Klippen wachten. An die westliche Klippe klammerte sich eine Tempelruine, deren geborstene weiÃe Säulen sich deutlich vom dunkleren Felsgestein abhoben. Wie ein Vogelnest kauerte der Tempel hoch über der See.
»Das ist Kyrna«, erklärte Mataan. »Ein von den Göttern verlassener Ort.«
»Und doch gibt es einen Tempel«, bemerkte Juba trocken.
»Ja, einen Tempel, den lange kein Priester mehr betreten hat. Dieser Ort ist verdammt. Vor langer Zeit einmal gab es hier eine reiche kleine Stadt. Die Bucht ist ein vollkommener Hafen. Der flache Strand bietet Platz für fünfzig oder mehr Galeeren. Kein Sturm ist so gewaltig, dass er den Schiffen dort etwas anzuhaben vermag. Und doch lebt dort heute niemand mehr.«
Das rote Segel der Galeere verschwand hinter den Felsen.
Artax änderte den Druck auf das Ruder. Ihr kleines Boot wechselte den Kurs. Es würde in weitem Bogen an der Einfahrt zum Felshafen vorübergleiten. »Du glaubst, die Piraten sind dort?«
»Wenn sie dort sind, dann nicht für lange. Nicht weit von hier verläuft eine viel befahrene Schifffahrtsroute. Die Handelsschiffe suchen an jedem Abend die Nähe des Ufers. Sie wagen sich nur
selten auÃer Sichtweite der Küsten. Vielleicht haben sie noch nicht alle Zinnschiffe abgefangen. Dies wäre ein günstiger Ort, sich für einen Ãberfall zu sammeln. Allerdings gibt es hier kein Wasser. Die Götter haben die übermütigen Bewohner Kyrnas verflucht. An dem Tag, an dem das Erdbeben den Tempel dort oben auf der Klippe zerstörte, versiegten auch alle drei Quellen der Insel. So tief sie auch gruben,
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