Drachenelfen
tat, wenn sie selbst mit verbundenen Augen ihr Ziel traf? Fand ihr Körper von allein seine Form? Sie wusste es nicht, aber sie würde es versuchen. Ein plötzliches Glücksgefühl lieà sie allen Schmerz vergessen. Sie konnte es schaffen. Endlich hatte sie den Weg gefunden!
Nandalee zupfte an dem verhassten Bart, der ihr zur Brust hinabwucherte. Seine Tage waren gezählt. Nein, seine Stunden! Erneut öffnete sie ihr Verborgenes Auge, stellte sich vor, wie das Muster aus Kraftlinien, das sie sah, wieder seine gewohnte Form annahm. Sie würde wieder in Harmonie mit allem um sich herum sein. Es war ein FlieÃenlassen und â¦
Der Schmerz traf sie wie ein Dolchstoà in die Brust. Sie bäumte sich auf. Ihr Brustkorb dehnte sich. Etwas riss, und ein warmer, metallischer Geschmack drang in ihren Mund. Sie würgte ⦠Und erbrach Blut!
Der Schmerz nahm ihr die Sicht, Feuerkreise tanzten vor ihren Augen. Sie krümmte sich und schrie, bis sie das Gefühl hatte, ihre Kehle müsse zerreiÃen. Blut rann aus ihren Augen und Ohren. Panik überfiel sie. Sie dachte daran, wie Sayn gestorben war. Ein kurzer Erinnerungsblitz â dann löschte der Schmerz alles Denken aus.
U NWILLKOMMEN
Artax blickte über die Hochebene zur Stadt Isatami. Hier wurde in jeder Mittsommernacht die himmlische Hochzeit gefeiert. Die Vereinigung von Himmel und Erde, von Mensch und Gott. Isatami war nicht die Hauptstadt des luwischen Reiches, doch hier schlug das Herz des Kultes um den unsterblichen Muwatta und die Geflügelte Išta. Die weitläufigen Mauern Isatamis wurden von
Tausenden bunten Zelten belagert. Die Festlichkeiten um die himmlische Hochzeit dauerten mehr als eine Woche und aus allen Provinzen des Reiches strömten Schaulustige herbei.
Der Hügel, auf dem sich zwischen verwitterten Statuen aus grauem Stein das magische Tor befand, lag etwa drei Meilen von Isatami entfernt. Eine breite StraÃe, flankiert von blumengeschmückten Götterschreinen, führte in fast gerader Linie auf die Tempelstadt zu.
»Wir sind bereit, Herrscher aller Schwarzköpfe«, sagte sein Hofmeister Datames leise. »Alle haben das Tor durchschritten, und der Festzug ist aufgestellt.«
Artax blickte zu Datames hinab. Der Hofmeister hatte so viel Schminke aufgetragen, dass sein Gesicht wie eine Maske wirkte. Er trug einen Wickelrock, der bis zu den Knöcheln herabreichte und eine mit bunten Rechtecken bestickte Tunika. In seinem breiten Gürtel steckten zwei goldene Griffel, die Zeichen seines Amtes, und ein fast armlanger Dolch, dessen Elfenbeingriff mit Smaragden geschmückt war. Die mit anliegenden Hörnern geschmückte Haube verbarg sein Haar. Hätte er einen Bart, er hätte sehr stattlich ausgesehen. So erschien er seltsam.
Der Festzug war perfekt organisiert. Er war ein Spiegelbild der Macht und des Reichtums von Aram. Seltsamerweise hatte Datames, bis sie durch das magische Tor getreten waren, nach Ausflüchten gesucht, nicht mitzukommen. Artax hatte ihm das nicht durchgehen lassen. Er musste schon auf Juba verzichten, der sich bei den Streitwagengeschwadern der Söldner aufhielt. Würde noch ein weiterer über die Grenzen hinaus bekannter Würdenträger des Reiches in seinem Gefolge fehlen, mochte das als eine Beleidigung aufgefasst werden.
»Du hast gute Arbeit geleistet, Datames.« Einen Moment überlegte Artax, den Hofmeister einzuladen, neben ihm im Streitwagen nach Isatami einzuziehen, doch es mochte als Schwäche ausgelegt werden, wenn er Datames so nah an seiner Seite duldete.
»Du darfst dich zurückziehen.«
Der Hofmeister verneigte sich und entfernte sich wortlos.
Artax setzte seinen Helm auf und klappte die Maske vor sein Gesicht. Das Metall lag kühl auf seinem Antlitz. Fast wie eine zweite Haut.
Er hob die Zügel und blickte flüchtig nach dem Sklaven mit dem reich bestickten Sonnenschirm, der schräg hinter ihm stand. Von einem solchen Sklaven mit Sonnenschirm begleitet zu werden war ein Privileg, das allein den Mächtigsten des Reiches vorbehalten war. Artax fand es albern. Er war ein Leben lang ohne demütige Diener mit Schirmen ausgekommen, die hinter ihm herschlichen. Er hatte mit Datames darüber gestritten, sich aber letztlich gefügt. Es war ein Teil dieses Auftritts, wie seine prächtigen Gewänder und all das andere. Es war wie beim Brotbacken. Löschte man das Feuer unter dem Ofen, wenn man die
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