Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenelfen

Drachenelfen

Titel: Drachenelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
Vom Netzwerk:
Kiefer in sein Fleisch.

    M ETAMORPHOSE
    Drei Mal schon hatte Nandalee das Essen, das ihr die Gazala brachten, nicht mehr angerührt.
    Waren drei Tage vergangen? Sie wusste es nicht. Niedergeschlagen kauerte sie auf dem flachen Thron , der sich über das dunkle Wasser erhob. Die Zeitspanne von einem Atemzug zum anderen erschien ihr wie eine Ewigkeit. Sie hatte jedes Gefühl für den Fluss der Zeit verloren. Wie lange war sie schon hier? Warum kam der Dunkle nicht zurück?
    Sie stellte sich die Fragen noch gelegentlich, doch sie weckten keine Emotionen mehr. Weder Zorn noch Verzweiflung. Sie fühlte sich wie tot. Wie eine Pflanze, die ohne Licht verkümmerte, selbst wenn sie in fruchtbarer Erde stand und genügend Wasser hatte.
    Nandalee hatte aufgegeben. Sie starrte den verhassten Zwergenkörper an, blickte auf die unförmige Hand. Sie öffnete ihr Verborgenes Auge. Sie konnte sehen, wie die feinen Kraftlinien unnatürlich verformt waren. Verdreht und gestaucht sahen sie aus. Wie konnte sie zu sich zurückfinden? Tausende Male hatte sie sich diese Frage gestellt. Und immer wieder drängte sich die Erinnerung an Sayn auf. An seinen schrecklichen Tod. Dem Dunklen war es so leicht gefallen, sie in diesen Leib zu zwingen. Sie jedoch konnte diesem Gefängnis nicht entfliehen.
    Sie dachte an die Worte, die der Dunkle ihr zum Abschied gesagt hatte: Wesentlich ist, dass Ihr Euch gut an Euer Inneres erinnert. Was für ein bösartiger Hohn! Wie sollte sie sich an ihr Inneres erinnern? Die Form ihrer Knochen und Muskeln, die Lage von Adern und Sehnensträngen. Sie wusste, wie das Innere eines Hirsches oder eines Hasen aussah. Aber wie konnte man sich an etwas erinnern, das man nicht kannte?
    Sie hatte auch erwogen, ob er es im übertragenen Sinne gemeint haben könnte. Ihre inneren Werte vielleicht? Aber was hatten die mit ihrem Körper zu tun? Ihrer Seele? Das, was sie ausmachte? Was sie war? All das führte zu nichts.
    Sie dachte an Gonvalon — seine Ruhe und die Kraft, die darin lag.
Er hätte ihr helfen können, dessen war sie sich ganz sicher. Wäre er nur hier! Mit ihm an ihrer Seite würde sie zurück zu sich finden.
    Sie war nicht mehr zornig, auch wenn sie mit ihrem Schicksal haderte. Sie hatte nicht mehr die Kraft dazu. Wieder starrte sie auf ihre Hand. Wie konnte sie ihr wieder die richtige Form geben? Vielleicht, wenn sie loslassen würde? Konnte man auf magischer Ebene loslassen? Sich strecken, so als ginge es nur um verspannte Glieder?
    Sie fixierte ihre Hand und wünschte, dass sie wieder aussähe wie zuvor.
    Ein stechender Schmerz fuhr durch ihre Finger. Die Kraftlinien verschwommen vor ihren Augen. Tränen rannen über ihre Wangen. Stöhnend krümmte sie sich. Der Schmerz war überwältigend. Die Gelenke der Fingerknochen knackten. Es fühlte sich an, als würden ihr die Nägel aus dem Fleisch gerissen. Nein, schlimmer. Als wolle man ihr die ganzen Finger ausreißen.
    Ihr Verborgenes Auge hatte sich geschlossen. Sie blinzelte die Tränen fort. Die Hand war angeschwollen. Etwas schien unter ihrem Fleisch zu kriechen. Sie sah, wie sich die Knochen bewegten. Ihr wurde übel vor Schmerz, ihr Magen rebellierte. Sie erbrach dunkle Galle. Dann war es vorüber, so plötzlich, wie es begonnen hatte. Ihre Hand war schlank. Die Finger lang und doch kraftvoll.
    Sie hatte ihre Hand zurück! Und die Narben waren verschwunden. Ihre Fingerkuppen! Sie waren ohne Narbengewebe, ganz so, wie sie ausgesehen hatten, bevor Nandalee durch das verfluchte Fenster getreten war. Sie schluchzte. Sie konnte sich gar nicht satt an ihrer Hand sehen. Tränen standen ihr in den Augen. Vorsichtig tastete sie über ihr Gesicht, erfühlte die verstümmelte Nase und das Narbengeflecht, wo eine Augenbraue hätte sein sollen. Sie seufzte. Wenigstens hatte sie eine Hand zurück. Sie betrachtete sie von allen Seiten. Die Hand sah grotesk aus, am Ende eines gedrungenen Zwergenarms. Wie war ihr der Zauber geglückt? Hatte es genügt, sich die Hand zurückzuwünschen? Das tat sie schon seit vielen Tagen. Was war dieses Mal anders gewesen?

    Nandalee ließ sich zurücksinken. Sie war zu Tode erschöpft. Ihre Glieder zitterten unkontrolliert. Sie hatte sich gehen lassen. War das der Schlüssel? Würde sie so ihre wahre Gestalt zurückerlangen? Einfach nur daran denken und die Magie fließen lassen, wie sie es beim Bogenschießen

Weitere Kostenlose Bücher