Drachenelfen
wenn er in dieser Gestalt bei ihr war. Er verschleierte die Wahrheit durch so viele Zauber. Sie wusste um das wahre Aussehen der Krallenhand, die sie berührt hatte. Um ihr Gewicht. Sie wollte ihn sehen, wie er war. Nicht dieses Zerrbild! Das einzig Gute war, dass er in Elfengestalt ganz normal mit ihr sprach und seine Stimme keine glühenden Pfeile durch ihren Körper jagte.
»Ihr habt mich heute einmal mehr überrascht, Nandalee. Ich hatte befürchtet, Nodon würde dasselbe Ende nehmen wie Sayn. Aber Ihr seid ganz offensichtlich nicht mehr jene zornige, talentierte Elfe, die vor zwei Jahren vom Schwebenden Meister unterrichtet wurde.«
Er hatte sie also auf die Probe gestellt! Deshalb diese Fechtstunden. Vielleicht hatte er Nodon sogar befohlen, sie derart zu reizen.
»Es freut mich, dich nicht enttäuscht zu haben«, entgegnete sie glattzüngig.
Er lachte. »Vergesst nicht, ich muss nicht in Euren Gedanken lesen können, um zu wissen, wann Ihr das Gegenteil von dem sagt, was Ihr denkt, meine Holde.«
»Wenn du schon weiÃt, was ich denke, warum redest du dann noch mit mir? Ist es nicht unglaublich langweilig, sich stets bestätigt zu sehen?«
Er blieb stehen. Seine Hand glitt von ihrer Schulter. »Mit Eurer Zunge seid Ihr wesentlich treffsicherer als mit dem Schwert.«
Sie sah ihn aus den Augenwinkeln an. Er wirkte verletzt. Der älteste der Drachen. Der Statthalter dieser Welt. War sie vollkommen verrückt, sich mit ihm anzulegen? Wenn er in Elfengestalt vor ihr stand, vergaà sie allzu leicht, dass er ein riesiges Raubtier war. Ein Ungeheuer, das sie mit einem einzigen Schnappen seiner Fänge vernichten konnte. Und obendrein war er launisch. Sie wusste nie, woran sie bei ihm war. Sie sollte vorsichtiger sein und wusste zugleich, dass es gerade seine schiere Unbesiegbarkeit war, die sie immer aufs Neue zu Widerstand reizen würde.
»Langeweile â¦Â«, sagte er sinnierend. »Ihr habt es recht gut getroffen, Dame Nandalee. Mein Leben birgt nur wenige Ãberraschungen und ich kann in den Gedanken eines jeden lesen. Das verstöÃt gegen die guten Umgangsformen, und manchmal geschieht es ohne Absicht. Gerade wenn jemand seine Gedanken vor mir verbergen will, spüre ich sie besonders deutlich. Fast als würde er sie mir ins Gesicht schreien. Nur bei Euch ist Schweigen. Finsternis. So viele Wochen seid Ihr nun hier, aber ich kenne Euch noch immer nicht. Und was Eure Vorwürfe anbelangt ⦠Ja, ich studiere Euch. Es war wichtig zu sehen, dass Ihr Euch verändert habt. Dass Euer Zorn sich nicht in einem zerstörerischen Zauber manifestiert, der Eurer Beherrschung entgleitet. Ich habe GroÃes mit Euch vor!«
»Wusste Nodon, in welcher Gefahr er war?«
»Das war nicht notwendig. Dieses Wissen hätte ihn nur gehemmt.
« Der Dunkle lächelte. »Seine Handlungen sind sehr vorhersehbar. «
»Und irgendwann in der Zukunft werde ich eine wie er für dich sein? Eine Figur auf einem Spieltisch, die sich nicht einmal bewusst ist, dass sie fremdbestimmt ist. Die glaubt, sie lebt einfach nur ihr Leben.«
»Das ist unter Eurem Niveau, meine Holde.«
»Nie wo? Was soll das heiÃen?«
Er seufzte. »Niveau ist etwas, dass man sich erarbeiten muss. Man erreicht es, wenn man über sich hinauswächst. Sich auf eine neue Stufe erhebt.«
»Hast du vergessen, dass ich eine Wilde aus Carandamon bin? Von uns kann man alles erwarten. Zum Beispiel, dass wir in langen Wintern unsere jüngsten Kinder schlachten und verspeisen. Aber Nie wo ⦠Nein, Nie wo passt nicht zu uns Wilden!«
Seine himmelfarbenen Augen blitzten, als bräche die Mittagssonne hinter einer Wolkenfront hervor. »Vielleicht ist es das, was ich suche? Eine Elfe, die wild, aufsässig und niveaulos ist. Leicht erzürnbar. Gut in jeder erdenklichen Art zu verletzen. Zu gefährlich selbst für ihre Meister. Ja, sogar für sich selbst.«
Fassungslos sah sie ihn an. War es das, was er wirklich über sie dachte? War sie für ihn nicht mehr als eine unbeherrschte Närrin mit hohem Unterhaltungswert? Dazu eine Prise Nervenkitzel, damit es nicht so schnell langweilig wurde? War sie wirklich derart unbeherrscht? Noch immer eine Gefahr für sich und andere? Und vor allem ⦠Hatte sie die Macht, ihn zu verletzen?
»Und was ich noch vergessen habe. Sie ist absolut humorlos!« Er lächelte. »Geradezu perfekt für
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