Drachenelfen
Waldes hin. Dem Duft des feuchten Farns, dem säuerlichen Geruch des vermodernden Birkenlaubs vom Vorjahr. Einmal hörte sie lautes Lachen vom anderen Ufer. Nandalee dachte an ihre langen Jagdausflüge in Carandamon. An ihre Sippe, in der sie sich fremd gefühlt hatte. Vielleicht war sie nicht dazu geschaffen, in Gesellschaft zu sein? Eine einsame Jägerin, die irgendwann allein im Wald sterben würde. So würde ihr Leib zuletzt zum Fraà der Wildnis, von der sie ein Leben lang genommen
hatte, was sie brauchte. Sie fand den Gedanken nicht abstoÃend. Damit schloss sich ein Kreis. Es wäre ein gutes Ende.
SchlieÃlich schlief sie ein. In ihren Träumen wurde sie gejagt. Sie lief durch einen Wald. Etwas GroÃes, Gestaltloses war hinter ihr her. Und obwohl es nah war, gelang es ihr nicht, einen Blick darauf zu erhaschen. Es war sehr nah! Sie wachte auf, setzte sich ruckartig auf. Ihre Hand fuhr zu ihrem Jagdmesser.
»Ruhig!«
Der Schatten vor ihr wich zurück.
»Ruhig, ich bin es. Ich wollte dich gerade wecken. Du hast einen leichten Schlaf.«
Sie räusperte sich. Es war ihr peinlich. Sie fand keine Worte. Sich entschuldigen wollte sie nicht. Wozu auch! Sollte er sich nicht an sie heranschleichen, wenn sie schlief!
»Ich schlaf jetzt ein wenig. Du bleibst beim Lager?«
Sie nickte.
»Bei unserem Lager.«
»Ja!« Sein Misstrauen ärgerte sie. In verdrossener Stimmung verlieà sie den Hügel und suchte sich eine durch Büsche gedeckte Stelle am Ufer. Von dort hatte sie einen guten Blick zum Lager der Menschenkinder. Und sie würde schon mitbekommen, was hinter ihr geschah! Auf ihre Sinne konnte sie sich verlassen. Nicht einmal eine Wildkatze würde sich in ihre Nähe schleichen können, ohne dass sie es bemerkte. Lange, einsame Wachen war sie als Jägerin gewohnt. Gonvalon sollte sich nicht so anstellen!
Im Lager am anderen Ufer herrschte jetzt Stille. Die Nacht war frisch, aber nicht unangenehm kühl. Nandalee konnte den Rauch der verglimmenden Feuer und den Dung der Pferde riechen. Die Elfe wurde eins mit den Geräuschen des Waldes, dem leisen Rauschen der Blätter, dem Knarren sich wiegender Ãste, dem Rascheln von Mäusen und anderen Nagetieren, die durch das trockene Laub huschten. Sie hörte eine jagende Eule und einen Karpfen, der aus dem Fluss sprang. Plötzlich schrak sie auf. Die Worte des Schwebenden Meisters waren ihr wieder in den Sinn gekommen.
Auch das war eine Art Magie, obwohl sie es völlig unbewusst tat. Ihre Verbundenheit mit dem Land ging weit über das hinaus, was ihre Sinne erlaubten.
Schuldbewusst sah sie sich um. Etwas floss zwischen den Bäumen am Ufer dahin, ein grünes Licht. Eine Wolke aus Glühwürmchen?
Lautlos erhob sie sich und folgte dem Licht ein paar Schritt, dann hielt sie inne. Sie durfte ihren Posten nicht verlassen! War es ein Versuch, sie fortzulocken?
Nandalee war es plötzlich kalt. Sie rieb sich die nackten Oberarme und stieg den Hügel zum Lager ihrer beiden Gefährten empor. Gonvalon blinzelte kurz zu ihr auf â auch er hatte einen erstaunlich leichten Schlaf. Nur dass er sich besser beherrschte, dachte sie bitter. Sie musste sich eingestehen, dass sich ihr Lehrmeister wahrscheinlich genauso gut in der Wildnis zurechtfinden würde wie sie, auch wenn er kein Jäger war.
Bidayn schlief tief und fest. Ihre Stirn war gerunzelt, als ärgere sie sich selbst in ihren Träumen noch darüber, in einem Bett aus feuchtem Laub zu liegen.
Nandalee blickte zurück. Das grüne Leuchten war verschwunden. Hatte sie es angelockt? Durch die Art, wie sie eins mit dem Wald werden konnte? Durch den Zauber, den sie gewoben hatte? Sie entschied, den Baumkreis, der das Lager schützte, nicht mehr zu verlassen. Gonvalon hatte recht â hier gab es etwas zutiefst Fremdes. Und wieder hatte sie das Gefühl, von etwas beobachtet zu werden. Etwas, das gerade auÃerhalb ihres Gesichtskreises lauerte und sich meisterhaft darauf verstand, gänzlich zu verschwinden, sobald sie den Kopf drehte.
Am anderen Ufer wieherte ein Pferd. Es klang furchtsam. Dann hörte Nandalee Hufschlag. Ein eisiger Wind wehte über den Fluss. Der plötzliche Temperaturabfall lieà die Ãste knacken und ihren Atem in Wolken aufsteigen. Blasser Nebel trat aus dem Waldboden, als würde auch die Erde atmen. Bidayn wälzte sich unruhig im Schlaf und murmelte etwas
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