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Drachenelfen

Drachenelfen

Titel: Drachenelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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in sein Ohr.
    Mach, dass du hier wegkommst, du verdammter Idiot. Das Ding will unser Hirn als Dünger!
    Das allererste Mal war Artax dankbar, die Stimme seines Quälgeistes zu hören. Der Bann war gebrochen. Er schüttelte sich, richtete sich auf und strauchelte schon nach wenigen Schritten. Es war unmöglich, zu gehen, ohne auf Leichen zu treten, so dicht lagen die toten Steppenreiter. Und überall über ihm wogte das Wurzelwerk.
    Halt dich dicht am Boden. Sieh zu, dass du den Wurzeln nicht zu nahe kommst. Der Baum weiß, dass du hier bist. Er will uns zu sich holen, so wie all die anderen. Der Baum ist verzaubert. Bestimmt ist er ein Seelenfresser. Sieh dir nur die klaffenden Münder an. Sie alle hier haben ihre Seelen ausgeatmet, hoch zur Decke, zum Schiffsbaum.
    Artax nickte und kroch über die Toten davon. Ihre Leiber fühlten sich noch ganz fest an. Es gab keine Anzeichen für Fäulnis. Das war widernatürlich! Die Wurzelstränge schienen ihm nicht zu folgen. Einen Augenblick lang war er versucht, mit dem Schwert auf die Wurzeln einzuhacken.
    Tu das nicht, du Trottel! Weißt du, über welche Mächte dieser Seelen trinkende Baum gebietet? Mach dich einfach davon. Und zwar schnell!
    Artax richtete sich wieder auf. Er versuchte, auf keinen der Ischkuzaia zu treten, gleichzeitig aber auch das unheimliche Wurzelwerk im Blick zu behalten. In der Mitte des großen Kultsaals zwischen Feuerschalen und allerlei Tierschädeln gab es einen besonders dicken Wurzelstrunk, der mit Stoffstreifen und Perlenkettchen umwunden war. Es sah aus, als hätten die Ischkuzaia den Baum wie einen Gott verehrt!
    Was interessiert dich die Religion von diesen ungewaschenen Pferdeschändern? Du gehst jetzt sofort zurück zum Oberdeck!
    In einem Anfall von Trotz blieb Artax stehen. Natürlich, Aaron hatte recht, er musste so schnell wie möglich weg von hier. Aber
wenn er sich Aaron einmal unterwarf, würde er es vielleicht wieder tun. Und irgendwann würde er die Kraft nicht mehr aufbringen, all die anderen Unsterblichen, die sich zu einer einzigen Aaron-Geiststimme vereint hatten, zu beherrschen. Vielleicht würde der Übergang fließend sein, vielleicht würde es schnell gehen, und mit großer Sicherheit wäre am Ende nichts mehr von dem übrig, was er war. Von Artax, dem Bauern aus Belbek. Er warf erneut einen Blick auf die Toten und die Baumwurzeln, die sich, wie Aaron behauptete, von ihren Hirnen nährten. Der Baum war ein Schmarotzer. Aaron war ein Schmarotzer. Wenn er sich ihm unterwarf, konnte er sich ebenso gut gleich hier auf der Stelle hinlegen und sein Gehirn dem Baum zum Fraß vorwerfen – und bei Licht betrachtet war das vielleicht sogar die bessere Wahl. Sein Weg aber war ein anderer. Er war im Dorf dafür berüchtigt gewesen, stur wie ein Esel zu sein, und dank dieser Sturheit würde er am Ende den Sieg davontragen. Über Aaron, über Bäume und über alle anderen, die ihn von seinem Weg abbringen wollten. Kurz dachte er an seinen Vater und lächelte. Ja, es war wichtig, Ziele zu haben. Er hatte ein neues Ziel gefunden. Voller Trotz zu triumphieren! Vielleicht würde er in diesem riesigen Schiff verrecken, aber geschlagen geben würde er sich nicht. Er würde kämpfen, bis zum letzten Atemzug.
    Von neuer Kraft erfüllt, ließ er den Blick über die Toten schweifen und fragte sich, ob die Ischkuzaia vielleicht einem der Geheimnisse dieser Welt auf die Spur gekommen waren. Hatten sie etwas – irgendetwas – entdeckt, das verborgen bleiben sollte, und waren deshalb gerichtet worden? Aber wer hatte es getan? Und auf welche Weise? Auch wenn ihn das lebendige Wurzelwerk ängstigte, hatte er das Gefühl, dass die Wolkenschiffer mit ihren Frauen und Kindern hierhergekommen waren, weil sie sich von dem Baum Schutz versprochen hatten. Vielleicht hatte das, was der Baum mit ihnen getan hatte, sie ja vor etwas bewahrt, das noch schlimmer gewesen wäre? War so etwas vorstellbar? Er mochte Bäume. Sie standen für Leben und Wachstum, spendeten
Schatten und Nahrung. Sie sich als mordende Ungeheuer vorzustellen widerstrebte ihm zutiefst.
    Den Blick zur Decke gerichtet, ging er langsam weiter. Etwas knirschte unter seinem Tritt. Hastig zog er den Fuß zurück und hätte fast die Balance verloren. Er war auf ein Tonpferd getreten. Eine kleine Spielfigur. Dem Jungen, dem es einst gehört haben musste, war es aus der

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