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Drachenelfen

Drachenelfen

Titel: Drachenelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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erbärmlicher Unsinn!
    Glaubst du? Ist ein Gott nicht allmächtig? Könnte etwas geschehen, das er nicht will? Zum ersten Mal richtete Artax seine Gedanken ganz bewusst an sein zweites Selbst. Du warst jämmerlich. Und so etwas wie eben, dass ich dir meine Stimme leihe, um mich so aufzuführen wie du, wird nicht mehr geschehen. Ein nächstes Mal bekommst du mich nicht. Dieses Stück Weidezaun ist geflickt.
    Mit diesen Gedanken wandte er sich erneut dem Lotsen zu.
    Â»Steh auf, Nabor. Verzeih mir meine Launenhaftigkeit. Ich möchte zusehen, wie du den fliegenden Palast zur Goldenen Stadt manövrierst. Erklär mir, was du tust, welche Widrigkeiten zu beachten sind und warum du welche Befehle gibst. Ich möchte lernen, was du tust.«
    Er sah Nabor deutlich an, dass dieser jetzt auf der Hut war. Der Lotse nickte ergeben, sagte aber sicherheitshalber kein Wort. Mit dem Auftrag, einen Unsterblichen zu belehren, stand er wieder auf sehr dünnem Eis. Dessen war er sich augenscheinlich voll und ganz bewusst.
    Â»Fürchte mich nicht.« Artax klopfte ihm jovial auf die freie Schulter, was den Affen zu einem leisen Protestlaut veranlasste. »Behandele mich ganz wie einen Schüler.«
    Â»Wie du befiehlst, Herrscher aller Schwarzköpfe«, brachte der Lotse beklommen hervor und erläuterte die Landmarken, die sich im Sichtfeld befanden und dass man aus der Stellung des Schiffes zu ihnen ablesen konnte, dass sie sich dem Weltenmund von Westen her näherten.

    Artax hörte ihm eine Zeit lang zu und versuchte sich einzuprägen, welche Befehle Nabor an die Wolkenschiffer in der Takelage gab, um Kursänderungen vorzunehmen. Langsam wuchs der mächtige steinerne Wall am Horizont. Unter ihnen hatte sich der Dschungel in einzelne große Waldinseln aufgelöst. Felder zerteilten die Landschaft in ein Mosaik kleiner Rechtecke, durch das sich silberne Bewässerungskanäle und schmale, staubige Straßen zogen. Hier und dort gab es kleine Ortschaften. Manchmal duckten sie sich unter das Geäst eines Mammutbaums, der seine Krone wie einen weiten Schutzschirm über den Häusern aufspannte.
    Das Land stieg langsam an. Die Flanken der Hügel waren in Terrassen zergliedert, eingerahmt von hellen Mauern aus Bruchstein. Artax konnte Arbeiter auf den Feldern sehen. Es waren winzige, kaum ameisengroße Gestalten. Gestalten, wie er eine gewesen war, dachte er mit einem Anflug von Wehmut.
    Hier, nahe der Goldenen Stadt, fürchtete man die Grünen Geister der Wälder besonders. Bauern waren verschleppt worden. Ganze Hofgemeinschaften spurlos verschwunden.
    Â»Was, glaubst du, ist mit dem Schiff der Ischkuzaia geschehen? «, fragte er den Lotsen.
    Â»Ist es mir erlaubt, offen zu reden, Herr?«
    Artax seufzte. Er wünschte, er hätte sich besser unter Kontrolle gehabt. Es würde wohl noch lange dauern, bis Nabor wieder Vertrauen zu ihm fasste.
    Â»Nur zu! Sprich.«
    Â»Es gibt Orte am Himmel, da kann man kaum atmen. Vielleicht sind sie an einem solchen Ort gewesen? Vielleicht waren es auch die Sturmgeister. Ich selbst habe schon erlebt, dass mir der Wind so scharf ins Antlitz blies, dass ich nicht mehr einzuatmen vermochte. Was immer es war — sie haben ihr Geheimnis mit sich in die Welt der Toten genommen.«
    Â»Und warum hat der Wolkensammler überlebt?«
    Nabor nahm den Korkverschluss aus einem der Bambusrohre, die vor ihm aus der Decke ragten, und rief einen knappen Befehl
hinein. Wenig später schwenkte das Palastschiff einige Grad nach Steuerbord ab.
    Â»Die Wolkensammler, Herr, sind Geschöpfe des hohen Himmels. Alle, die starben, waren es nicht. Vielleicht ist es eine Warnung an uns alle. Vielleicht sollten wir nicht in den Himmeln reisen. Das ist ein Platz für Götter.«
    Artax schwieg einige Zeit und dachte über die Worte des Lotsen nach. »Würdest du es aufgeben, Nabor?«
    Der Lotse wandte sich um und sah zu ihm auf. »Niemals. Wer einmal hier oben war, der kann sich, wenn er mit den Füßen im Staub steht, nur noch klein fühlen. Auch dort unten werde ich eines Tages sterben. Wenn ich hier oben bin, dann kann ich zumindest sagen, ich habe erhaben gelebt.«
    Nabor hatte mit einem Ernst gesprochen, der Artax Respekt abnötigte. Er war sich sicher, dass der Lotse nicht nur hochtrabende Reden schwang, sondern aufrichtig fühlte, was er sagte. »Du bist jetzt seit drei Jahren Lotse des Palastschiffes, nicht

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