DRACHENERDE - Die Trilogie
sich tatsächlich ein uralter Sattel unter Liishos pittoresker Sammlung, zu dem auch ein paar Drachenstäbe mit eigenartigen – auf jeden Fall nicht drachenischen – Schriftzeichen gehörten, über deren Funktion und Herkunft der Weise seinem Schüler allerdings nichts verraten wollte.
Rajin nahm das hin, zumal sein Mentor und Lehrer ihm erklärte, dass er diesen Sattel ohnehin nur vorläufig benutzt sollte. „In einer anderen Kammer bewahre ich noch weitere und zum Teil sogar recht kunstvoll verarbeitete Stücke auf, die ich früher benutzte“, führte Liisho aus. „Ich habe sie in zauberische Salze eingelegt, denn bei der hier herrschenden Feuchtigkeit würde sonst Schimmel sie befallen. Nur haben diese Salze einen sehr strengen Geruch, und so muss man sie erst einige Tage ins Freie legen, bevor man sie einem Drachen auflegen kann. Da Ghuurrhaan erst vor kurzem gezähmt wurde, will ich in dieser Hinsicht kein Risiko eingehen. Der Gestank eines konservierten Sattels würde ihn um den Verstand bringen.“
„Hat es einen Grund, dass dieses Teil hier nicht mit Salzen behandelt wurde?“, fragte Rajin und hob den uralten Sattel an, den er in Händen hielt.
„Ja“, antwortete Liisho. „Diese Salze sind teuer, und ich fand, dass es sich bei diesem alten, abgenutzten Sattel nicht mehr lohnt, ihn zu konservieren.“
Die Arbeit mit Ghuurrhaan fiel Rajin leicht; viel schwerer war es, sich an die Stimmen der Vergessenen Schatten zu gewöhnen. In manchen Nächten waren sie so laut und ihr Jammern und Klagen derart eindringlich, dass Rajin kaum ein Auge zutun konnte und er sich am nächsten Morgen wie zerschlagen fühlte.
Bratlor hingegen schien die Schreie in der Nacht mit der Zeit kaum noch zu hören, und als Rajin ihn daraufhin ansprach, meinte der Sternenseher: „Es sind deine Vorfahren, die so schreckliche Verbrechen an den Bewohnern von Qô verübt haben. Vielleicht bist du deswegen hinsichtlich der Vergessenen Schatten und ihrer Klage empfindlicher.“
Dafür jedoch machte Bratlor von Tag zu Tag die Langeweile und der eintönige Tagesablauf zu schaffen. Während Rajin mit Ghuurrhaan hinausflog und Liisho ihn auf Ayyaam begleitete, um seinen Zögling in der Kunst des Drachenreitens zu unterweisen, blieb Bratlor auf dem Plateau vor dem Kuppelgebäude zurück. Zwar waren unter den Gegenständen, die Liisho gesammelt hatte, auch zahlreiche Schriften, von denen Bratlor zumindest den Teil hätte lesen können, der in neuer drachenischer Schrift verfasst worden war. Aber Liisho bewahrte diese Schriften in einem eigenen Raum auf, den er verschlossen hielt, und ließ Bratlor nur dann darin stöbern, wenn er selbst anwesend war. Bei den Ausflügen durfte Bratlor sie nicht begleiten, denn – so sagte der Weise - ohne ihn könne sich Rajin intensiver seiner Ausbildung widmen, und er – Liisho – wollte nicht auf Bratlor aufpassen müssen, während er Rajin unterwies.
Bratlor schlug daraufhin vor, dass Liisho doch vielleicht auch ihm das Drachenreiten beibringen könnte. Immerhin könnte es beim Kampf um den Drachenthron von Drakor nur nützlich sein, wenn Rajin einen treuen Begleiter an seiner Seite hätte, der auch selbst einen Drachen zu beherrschen wüsste.
Doch davon wollte Liisho nichts wissen. Er brachte alle möglichen Argumente dagegen vor, unter anderem, dass man dafür ein weiteres Reittier vom Nordweststrand der Insel holen müsste und dass in Bratlors Adern nicht ein einziger Tropfen Samurai-Blut fließe und daher jede Bemühung schon im Vorfeld zum Scheitern verurteilt wäre.
„Und was fließt in deinen Adern für besonderes Blut?“, fragte Bratlor daraufhin aufgebracht. „Das sind doch alles nur Ausreden! Der wahre Grund für deine Ablehnung mir gegenüber ist ein ganz anderer!“
„Ich bin nicht gewillt, dieses Thema weiter zu erörtern“, gab der Weise zurück. „Dazu bleibt auch keine Zeit!“
„Du traust mir noch immer nicht – das ist das eigentliche Problem!“, behauptete Bratlor. „Nicht irgendwelches Blut oder dergleichen Unsinn! Angeblich war es kein Risiko, dass du mich allein auf Ayyaam zurückgelassen hast, als du zu Rajin gegangen bist, um im die Stachelsäge zu bringen. Du hast behauptet, dass du den Geist deines Drachen jederzeit unter Kontrolle hast!“
„Das ist auch zutreffend“, behauptete Liisho.
„Nun, dann wäre es ebenfalls kein Risiko, mich auf einem Drachen reiten zu lassen, den du beherrschst!“
„Wie ich sehe, hast du den wesentlichen Kern des
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