DRACHENERDE - Die Trilogie
Abschriften fehlend), Foliant XXXIV
Der Magier Abrynos, den Großmeister Komrodor als seinen Boten ausgesandt hatte, verfolgte seine eigenen Ziele. Er war entschlossen, lieber ein kurzes und bedeutendes Leben als Mächtiger zu führen, denn als unbedeutender Lakai ein hohes Alter zu erreichen, wie es für Magier gemeinhin üblich war.
So hatte er auch keine Hemmungen, seine Fähigkeiten als Schattenpfadgänger ohne Rücksicht auf sich selbst einzusetzen, was ihn früh altern ließ. Länger als ein Mensch würde er kaum leben. Aber das war immer noch lange genug, genug, um zu herrschen, so die Ansicht des Abrynos aus Lasapur. Die Zeit war schließlich keine absolute Größe, wie die Magierwissenschaftler in Magussa längst wussten.
Niemand wusste genau zu sagen, welches Interesse es war, das Abrynos aus Lasapur trieb. Aber die schier unersättliche Gier nach Macht und Anerkennung war ganz gewiss eine seiner Triebfedern. Darin aber war er sich gleich mit Kaiser Katagi, der sich zum Herrn der fünf Reiche aufzuschwingen versuchte.
Das Buch der Verräter; nach der in der Bibliothek von Lasapur eingestellten Abschrift, Rolle III, Kapitel 27
Der Traumhenker hatte mir eine zusätzliche Spanne Leben geschenkt, um mich vollenden zu lassen, was noch zu vollenden war. Ich fühlte mich stärker und jünger als lange Jahre zuvor, obwohl nicht einmal die ältesten Magier mein Alter erreicht hatten.
Alle waren frohen Mutes, als wir in das Reich der Magier flogen. Mir aber war das Herz schwer, denn erstens traute ich unseren neuen Bundesgenossen, dem Großmeisters Komrodor von Magussa, sowie seines Lakaien Abrynos nicht über den Weg, und zweitens schreckte ich vor dem Gedanken zurück, noch einmal das Land der Leuchtenden Steine zu betreten, in dem ich vor so langer Zeit beinahe den frühen Tod und den Verfall meiner Selbst in den Wahnsinn erlebt hatte. Allein der Gedanke an die ungeheuren Kräfte, die in den Leuchtenden Steinen schlummerten, ließ mich schaudern.
Aus den Schriften des Weisen Liisho
So begab es sich, dass Thalmgar Eishaarssohn, dessen Ahnen von Wulfgar Eishaar aus Winterborg abstammten, zum Hochkapitän von Seeborg gewählt wurde. Dies geschah, als der Krieg der fünf Reiche ausgebrochen ward und man sich nicht einig werden konnte, was zu geschehen habe. Die Vorfahren Thalmgars leiteten ihre Familie auf einen Sohn Wulfgar Eishaars zurück, der das Winterland einst verließ und in Gutland siedelte, zuerst in Engborg und später in Seeborg, wo Mitglieder in ununterbrochener Folge dem Kapitänsrat angehörten und insgesamt dreimal den Hochkapitän des Seereichs stellten.
Es begab sich weiterhin, dass die Drachenier einige Monate nach Ausbruch des Krieges eine Botschaft an den Hochkapitän sandten, in der sie ihm einen Separatfrieden anboten und dafür die Provinz Osland für sich und das Reich des Drachenkaisers einforderten. Da das Leiden groß war und viele Menschen schon durch Angriffe der Drachenarmada gestorben waren, war ein Teil der Mitglieder des Kapitänsrates diesem Vorschlag durchaus zugeneigt, zumal das völlige Erliegen des Handels mit Stockseemammut nicht nur den Drachenherren, sondern auch dem Seereich selbst sehr geschadet hatte.
Thalmgar Eishaarssohn aber war tief erzürnt darüber, dass man dies auch nur in Erwägung zog. „Habt ihr vergessen, was mit Winterborg geschah? Wie die Schergen Katagis den ganzen Ort auslöschten, obwohl Frieden herrschte?“
Dem entgegnete Leifdhór Bruchsilber, von dem überall bekannt war, dass er mit vielen Schiffen Stockseemammut nach Etana gefahren hatte, bevor der Krieg entbrannte: „Du willst doch nur den Tod deiner Verwandtschaft rächen, was ich verstehe. Aber niemand macht die Bewohner Winterborgs oder der zerstörten Siedlungen in Osland wieder lebendig! Ein Hochkapitän sollte mit Weisheit entscheiden und nicht mit dem heißen Herzen des Rächers, das wohl dem Herrn einer Sippe, aber nicht dem Herrn des Seereichs zusteht!“
„Wohl gesprochen!“, gab Thalmgar zur Antwort. „Und so werde ich mit Weisheit und kühlem Verstand dafür entscheiden, dass das Angebot des Drachenherrschers abgelehnt wird! Denn in Wahrheit will Katagi doch keinen Frieden. Er will nur freie Hand, um das Luftreich in die Knie zu zwingen. Danach wird er sich wieder uns zuwenden, und ich fürchte, dann kann uns nicht einmal mehr der nasse Njordir helfen!“
Normalerweise war es Brauch, dass der Kapitänsrat in seiner Mehrheit Entscheidungen
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