DRACHENERDE - Die Trilogie
Unglücks – vor nichts fürchten sich die angeblich so furchtlosen Seemannen so sehr!“
„Du sprichst, als wärst nicht auch du einer von ihnen!“
„In gewisser Weise trifft das zu, denn im Gegensatz zu den meisten Männern hier kenne ich auch die Häfen anderer Länder.“
Rajin starrte ihn fassungslos an. Bratlor Sternenseher, den er so gut gekannt zu haben glaubte wie sonst nur ganz wenige Menschen, und der immer sein Freund gewesen war, erschien ihm in diesem Augenblick fremder denn je.
Warum meldete sich die Stimme des Weisen Liisho nicht mehr? So oft hatte Rajin ihn gerade in letzter Zeit verflucht. Aber in diesem Augenblick hätte er sich nichts sehnlicher gewünscht als seinen Rat. Doch der Weise zog es vor zu schweigen, warum auch immer.
„Lass mich zu den anderen!“, sagte Rajin zu seinem Freund Bratlor, und das mit einem Unterton, der deutlich machte, dass er seine Entscheidung gefällt hatte.
Dann eilte er den anderen Männern hinterher. Bratlor folgte ihm. Er unternahm keinen weiteren Versuch, Rajin davon zu überzeugen, dass er Winterborg verlassen musste.
6. Kapitel
Der Kampf mit den Wassermenschen
Liisho könnte ihm wenigstens Glück für den Kampf wünschen, ging es Rajin durch den Kopf, während er das Schwert aus der auf den Rücken geschnallten Lederscheide riss und auf den Strand zulief. Aber der Weise, der all die Jahre sein unsichtbarer Begleiter gewesen war, hatte ihn offenbar verlassen.
Wie oft hatte Rajin diese Stimme verflucht und sich gewünscht, endlich frei von ihr zu sein. Frei auch darin, gegen den Bann zu verstoßen, der ihm auferlegt war. Frei, sich beispielsweise gegenüber Bratlor genauer äußern zu können, wenn es um das Drachenland und die eigene geheimnisvolle Herkunft ging. Gemeinsam hätten sie vielleicht ein paar der Rätsel entschlüsseln können.
Oft genug war Liisho ihm wie ein Tyrann vorgekommen, der unbemerkt von allen anderen die Oberherrschaft über ihn ausübte. Ein Despot, gegen den jeder Widerstand sinnlos war und der im Zweifel die Macht hatte, den eigenen Willen kompromisslos durchzusetzen.
Eigenartigerweise vermisste Rajin auf einmal die Stimme.
Der erste Wassermensch stürmte bereits auf ihn zu. Er schwang den Keulenarm, aber Rajin unterlief den ersten Schlag und stieß sein Schwert in den Leib des Gegners, um ihn zerfließen zu lassen. Gurgelnde, eine Mischung aus Verwunderung und Wut ausdrückende Laute drangen aus dem Mund, der sich kurz vor dem Ende der Kreatur noch bildete, ehe sie zerfloss und im Boden versickerte.
Aber gleich darauf hieb bereits der nächste Wassermensch auf Rajin ein. Er überragte Rajin, und die Reichweite des Keulenarms war immens. Er wirbelte ihn mit einer Geschwindigkeit, die es sehr schwer machte, den Hieben auszuweichen.
Rajin hob instinktiv sein Schwert, und die Keule seines Gegners schlug so hart gegen die Klinge, dass der junge Mann seine Waffe kaum festhalten konnte. Ein rasender Schmerz fuhr ihm durch beide Hände, mit denen er den Griff umklammert hielt. Mit einer Kombination aus weiteren, dicht aufeinanderfolgenden Keulenhieben schlug der selbst für Wassermenschen ungewöhnlich große Gegner auf Rajin ein. Ein schriller Kampfschrei drang dabei aus dem weit geöffneten Mund, der erst Augenblicke zuvor in dem ansonsten konturlosen Gesicht entstanden war. Die Kinnpartie des Wassermenschen wuchs auf die drei- bis vierfache Größe an, während das Wesen den Kampfschrei ausstieß, der immer mehr zu einem hohen Blubbern wurde, das in den Ohren schmerzte.
Rajin versuchte verzweifelt, die wuchtigen Schläge abzuwehren. Immer wieder klirrte die eisharte Keule klirrend gegen das Metall des Schwerts.
Bratlor konnte ihm nicht zu Hilfe kommen, denn er war selbst in einen Kampf verwickelt, sogar mit gleich zwei Wassermenschen, und hatte alle Mühe, sich ihrer zu erwehren.
Der Feind ging nicht planlos vor: Ein Teil der Wassermenschen versuchte zu den vergleichsweise schutzlosen Häusern von Winterborg durchzubrechen, um so die Kraft der Verteidiger zu spalten.
Da Winterborg normalerweise vom Land her keinen Angriff zu fürchten hatte, gab es keinerlei Schutzwall oder dergleichen. Die Häfen des Festlands waren zumindest mit mannshohen hölzernen, oben angespitzten Palisaden befestigt. Und in den südlich gelegenen Teilen des Seereichs – etwa in Gutland, dem Südenthal-Land oder der an der Grenze zu Drachenia gelegenen Provinz Osland – verwendete man zunehmend Stein und errichtete richtige
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