Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
DRACHENERDE - Die Trilogie

DRACHENERDE - Die Trilogie

Titel: DRACHENERDE - Die Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
Vom Netzwerk:
die unzähligen Säulen geleitet, dass eine eigentümliche Musik dabei entstand, die sich ohne eine einzige Pause fortsetze. In der Bucht von Drakor war es nur äußerst selten völlig windstill, und außerdem setzten sich die lang anhaltenden, zu einem sich ständig verändernden Klangteppich verschmelzenden Echos diese Symphonie über Stunden hinweg fort. So kam es, dass dieser Strom aus fluktuierenden Klängen kaum einmal abriss.
    Geschah dies aber, dann wurde es als mahnendes Zeichen des Unsichtbaren Gottes gewertet oder als Hinweis auf die Anwesenheit zauberischer Kräfte, die so stark waren, dass die in dieser Halle gefangenen Elementargeister des Windes und der Luftschwingung den Zustand ihres inneren Gleichgewichts nicht mehr aufrechterhalten konnten, einen Zustand, in den der Künstler Yainn Ko Namran sie unter der Herrschaft des legendären ersten Drachenkaisers Barajan gebracht hatte. Die Halle der Tausend Winde gehörte nämlich zu den allerältesten Teilen des Palastes von Drakor, der eine Stadt innerhalb der Stadt bildete, die allein schon größer war als die Hauptstadt so manch anderer Reiche.
    Kanäle, Brücken, künstlich angelegte Seen und breite Straßen durchzogen die Anlagen. Die Kanäle verbanden sie mit dem großen Seehafen, denn auch wenn die Drachen das dominierende Verkehrs- und Transportmittel Drachenias waren, so blieb doch immer noch genügend Fracht für Tausende von Dschunken, die sich von den günstigen Küstenwinden an ihre Bestimmungsorte bringen ließen. Insbesondere Waren, die ihren Zielort nicht schnell erreichen mussten, wurden auf diese Weise entlang der Küsten und der großen Flüsse transportiert. Spätestens im Landesinneren aber blieben einzig und allein die allgegenwärtigen Lastdrachen, um die Güter weiterzutragen.
    Die Halle der Tausend Winde bildete seit dem Aufkommen es Glaubens an den Unsichtbaren Gott nicht mehr das Zentrum des Palasts, da sie nach Auffassung der Priesterschaft von Ezkor erfüllt war von uralten Mächten, die vielleicht einmal das höchste Wesen, dessen Geboten man nun folgen wollte, gänzlich zu beherrschen vermochte. Andererseits war der Respekt vor dem Willen Barajans und der Gestaltungskraft seines Meisterarchitekten Yainn einfach zu groß, als dass man es gewagt hätte, etwas an diesem Bau zu ändern oder gar die Halle in irgendeiner Art und Weise umzufunktionieren.
    Manche Legende erzählten, dass Barajans Geist hin und wieder in den Palast zurückkehrte und inmitten der Zehntausenden von Säulen wandelte, getragen von den Tönen, die die Elementargeister des Windes und der Luftschwingung in einem gleichermaßen vorherbestimmen wie zufällige Zusammenspiel erzeugten; ein Zusammenspiel, das wie ein perfektes Gleichnis auf die Wechselwirkung von Ordnung und Chaos im Polyversum erschien.
    Barajan – ein Magier, der eine Menschenfrau zur Gemahlin genommen und mit ihr das Kaiserhaus und die Menschenherrschaft über die Drachen begründet hatte – war zwar mit einer Lebenspanne gesegnet gewesen, länger als die jedes Menschen, aber Unsterblichkeit war auch ihm nicht zuteil geworden. Magie konnte den Tod nur hinauszögern, ihn aber nicht verhindern. Selbst für Barajan hatte das gegolten, dem doch so vieles gelungen war, was niemand zuvor für möglich gehalten hätte. Durch seinen Bann hatte er die Herrschaft über die Drachenheit dem Magiervolk entrissen und in die Hände seiner Nachfahren gelegt, die das gewaltigste unter den fünf Reichen schufen: Ein Menschenreich, dessen Macht auf den starken Flügeln der Kampfdrachen ruhte und gegen das sich das Reich Magus bis zu diesem Tage nicht mehr hatte erheben können.
    Aber gegen die Gewalt Todes war Barajan ebenso ohnmächtig gewesen wie alle seine Nachfolger – und diese Ohnmacht teilte er mit seinen entfernten Verwandten, den Großmeistern von Magus. Als seine Gemahlin lange vor ihm starb, bahrte er sie in der Halle der Tausend Winde auf, und in den Legenden hieß es, dass ihr Körper dem Verfall auf wundersame Weise trotzte. Es war, als weigerte sich Barajan, den Tod der geliebten Gefährtin anzuerkennen, ja, als weigerte er sich sogar, der Macht des Todes überhaupt irgendwie Respekt zu zollen.
    Jeder Tag, an dem die aufgebahrte Kaiserin in der Halle der Tausend Winde dem natürlichen Verfall standhielt und nicht verweste, jedes Jahr, in dem ihre bleiche Schönheit im Vergleich zu den letzten Bildnissen, die von Hofmalern von ihr angefertigt worden waren, in keiner Weise nachließ, schien eine

Weitere Kostenlose Bücher