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DRACHENERDE - Die Trilogie

DRACHENERDE - Die Trilogie

Titel: DRACHENERDE - Die Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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seiner Metallhand entsprang, die manchmal ein erschreckendes Eigenleben entwickelte. Die Seelenreste des ermordeten Großmeisters Komrodor waren in diese Hand auf magische Weise eingeschmolzen, und manchmal hatte Rajin den Eindruck, dass sich gewisse Anteile davon zu etwas zusammenfügen, das man vielleicht am ehesten eine Kraft oder einen Willen nennen konnte; der Begriff Seele erschien Rajin unpassend, dafür war dieses Etwas einfach zu unvollständig. Abgesehen davon erschien es dem jungen Kaiser manchmal so, als würde sich dieses Etwas wieder völlig auflösen und in einzelne, unzusammenhängende Gedanken, Wünsche, Sehnsüchte zerfallen. Fragmente, die dann kaum noch als Teil eines größeren Ganzen erkennbar waren.
    „Du solltest mit deinen Kräften haushalten“, mahnte die Stimme. „Denn du wirst sie brauchen. Bald schon ...“ Es folgte eine Pause, die auf Rajin aus irgendeinem Grund, den er sich nicht näher zu erklären vermochte, sehr beklemmend wirkte. „Erkennst du es nicht auch allmählich?“, wisperte die Gedankenstimme der Seelenreste Komrodors.
    Rajin nahm die Metallhand vom Sarg.
    Eine durchscheinende Gestalt erschien wie aus dem Nichts. Sie war zuerst auf einer der Säulen zu sehen, dann schwebte sie für kurze Zeit über dem Sarg.
    Es war eine schwangere junge Frau mit langen Haaren.
    Nya ...
    Der Bauch unter ihrem Kleid war deutlich vorgewölbt. Sie umfasste ihn mit ihren Händen. Ihre Lippen bewegten sich, so als würde sie zu jemandem sprechen. Ihr Gesprächspartner war allerdings nicht zu sehen.
    Sie drehte sich einmal kurz um. Ihr Gesicht veränderte sich dabei und wirkte plötzlich angsterfüllt. Dann verblasste diese Erscheinung.
    Weshalb er das Alter seines ungeborenen Sohnes in seinen Visionen als so unterschiedlich wahrnahm, wusste Rajin nicht. Vielleicht hätte ihn der Weise Liisho darauf eine Antwort geben können, aber dessen Ratschlag stand ihm nicht mehr zur Verfügung. Mit Koraxxon war er Nya und Kojan II in einer Traumwelt begegnet, die der Dreiarmige das Leere Land nannte und die sich von der Drachenerde dadurch unterschied, dass sie abgesehen von aggressiven Pflanzen keine Bewohner zu haben schien. Koraxxon mochte ein treuer Gefährte sein, und das hatte er in der Zeit, seit sie sich das erste Mal begegnet waren, wiederholt bewiesen. Aber Erklärungen für ungewöhnliche Phänomene oder gar metaphysische Theorien konnte Rajin von ihm nicht erwarten.
    Und den Alchimisten, Zauberkundigen oder gar abtrünnigen Angehörigen des Magiervolkes, die bei Hof beschäftigt waren, mochte sich Rajin nicht anvertrauen. Nicht in einer Sache, die ihn dermaßen tief berührte. Schließlich war die Mehrheit der Hofschranzen von Drakor durch die Gunst des Usurpators in ihre Ämter gelangt. Und selbst jene, die nicht durch ihre Beziehung zu Katagi und seiner Familie am Hofe aufgestiegen waren, waren gewiss im Laufe der Jahre, die sie dem Usurpator dienten, seelisch deformiert worden und dadurch zu seinen willfährigen Geschöpfen herabgesunken. Geschöpfen, denen Rajin weder sein Leben noch sein Glück anzuvertrauen gedachte.
    Unglücklicherweise war er auf die meisten von ihnen angewiesen, wenn es darum ging, das Drachenland Drachenia zu regieren.
    Das Reich des Drachenkaisers stand am Abgrund – zumindest an einem Scheideweg seiner Geschichte. Niemand war das mehr bewusst als Rajin. Blindes Machtstreben allein konnte jedenfalls nicht die Rettung bringen. Der Usurpator Katagi war Rajin in dieser Hinsicht ein mehr als abschreckendes Beispiel – denn letztlich war sein unrechtmäßiger Vorgänger auf dem Thron von Drakor zu einem Vasallen des Großmeisters von Magus geworden.
    Soweit durfte es nie wieder kommen.
    In diesem Moment verstummte die immerwährende Musik in der Halle der Tausend Winde …
     
     
    Das Unvorstellbare war geschehen!
    Schon eine ganze Weile war der sich dauernd verändernde Klangteppich immer schwächer und dünner geworden, aber Rajin hatte es nicht bemerkt. Zu sehr hatte er sich in seinen Gedanken verloren.
    „Merkst du nun, was ich meine?“, ließ sich die Gedankenstimme seiner Metallhand vernehmen. Sie dröhnte in seinem Kopf, wie Rajin es bisher noch nicht erlebt hatte, und er spürte die Furcht, die die Seelenreste des alten Großmeisters offenbar empfanden. Eine Furcht, die die geistigen Fragmente wieder zusammentrieb, aus ihnen etwas formte, das zwar noch keine Einheit war, aber in dem sich doch alle Kräfte dieser Seelenreste sammelten.
    Ein magischer

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