DRACHENERDE - Die Trilogie
tiefer gehende Bedeutung hatten.
„Ihr braucht Euch nicht zu fürchten“, sagte Rajin. „Es liegt mir fern, Euch Schaden zuzufügen.“
„Das sagt einer, der meinen Garten von seinem Drachensklaven niederbrennen ließ!“, murrte der Bleiche Einsiedler und fügte noch etwas in jener unbekannten Sprache hinzu, die Rajin nicht verstand. „Aber ich will nicht nachtragend ein“, sagte er dann, „zumal mir bewusst ist, dass ich auf Euer Wohlwollen angewiesen bin ...“
„Ihr redet von Eurem Zugangsrecht zur Kathedrale des Heiligen Sheloo“, stellte Rajin fest.
„So ist es. Ich hoffe nicht, dass Ihr es mir streitig machen wollt oder dem Gezeter dieser Kampfmönche nachgegeben habt, die mich augenscheinlich alles andere als gern sehen. Falls ihr jedoch gekommen seid, um mir Schlimmeres anzutun, so erinnert Euch daran, dass mich Euer Vorgänger sogar im Kerker seines Palasts verrecken lassen wollte, doch ich weile immer noch unter den Lebenden, während er sehr wahrscheinlich inzwischen das Zeitliche gesegnet hat, sonst wärt Ihr jetzt nicht der Kaiser, richtig?“
„Niemand denkt daran, Euch Eure Rechte abzuerkennen“, beteuerte Rajin. „Um ehrlich zu sein, bin ich hier, weil ich dringend Eure Hilfe brauche.“
„So?“ Der Bleiche Einsiedler bedachte Rajin mit einem abschätzenden Blick. Seine Stirn war glatt, und wenn seine Augenbrauen auch ähnlich wie bei den Angehörigen des Magiervolks nach außen hin schräg aufwärts verliefen, so konnte doch jeder erkennen, dass dieser Mann auf keinen Fall aus Magus stammte: Ihm fehlte nicht nur die charakteristische Magierfalte, da war auch sein Gewand, das auf eine so feine Weise gewebt war, wie Rajin es bisher noch nie gesehen hatte. Selbst die edlen Gewänder, wie sie im Palast von Drakor getragen wurden, wirkten grob gegen den fließenden Stoff, aus dem die Kutte des Einsiedlers bestand. Wenn man bedachte, dass er schon jahrelang in dieser Wildnis hauste, so verwunderte es, wie fleckenlos rein dieses Gewebe war und dass sich sein Träger den Stoff offenbar niemals an irgendeinem Dornbusch aufgerissen hatte; jedenfalls konnte Rajin keine Flicken oder Ausbesserungen anderer Art entdecken.
„Die Vergessenen Schatten setzen mir zu, während ich das Reich zu einen versuche und gegen unsere Feinde verteidigen“, brachte der junge Kaiser sein Begehren vor. „Ihr habt meinen Vorgänger kennengelernt, den verbrecherischen Usurpator, der Euch ins Schmachtloch werfen ließ. Er hat sich und unserem Land nahezu die ganze bekannte Welt zum Feind gemacht. Und ausgerechnet in dieser Situation verfolgen sie mich, diese schattenhaften Angreifer. Vor langer Zeit haben sie den Palast von Drakor schon einmal heimgesucht, und Ihr habt damals meinen Vorfahren bei der Bekämpfung dieser Plage geholfen.“
„Und jetzt soll ich das wieder tun?“
„Darum möchte ich Euch bitten – wie immer Euer Name auch lauten mag.“
„Mein Name lautet Branagorn – aber ob es sich für Euch lohnt, ihn Euch zu merken, es ist fraglich, denn wahrscheinlich werde ich erst wieder einem Eurer Enkel begegnen, sollte es diesem in den Sinn kommen, mir den Zugang zur Kathedrale zu verweigern. Also nennt mich einfach nur den Bleichen Einsiedler, so wie es alle tun.“
„Ich nenne alles gern bei seinem Namen“, erklärte Rajin. „Und Ihr sollt mir Eure Dienste auch nicht ohne Gegenleistung erweisen, Branagorn.“
Der Bleiche Einsiedler lachte. „Was könntet Ihr mir schon gegeben, was mir nicht von Euren Vorgängern bereits gegeben wurde?“
„Das Wissen um den Zauber der kosmischen Tore, nach dem Ihr doch seit langer Zeit sucht!“
Es war nicht Rajin selbst, der in diesem Augenblick seine Zunge und Lippen bewegte, sondern die Gedankenstimme seiner Metallhand. „Verzeih mir, du hättest zu lange gezögert“, wandte sie sich stumm an Rajin. „Aber genau danach verlangt es diesem Burschen, und am einfachsten gewinnt man seine Gefolgschaft, indem man ihm verspricht, wonach er sich sehnt!“
Aber ich habe dieses Wissen doch gar nicht!
„Liisho hatte es, wie ich in deinen Erinnerungen zu erkennen vermag. Vielleicht hat er etwas hinterlassen, was Branagorn weiterhelfen könnte.“
Auf einmal durchlief ein Zittern den Körper des Einsiedlers. Er trat einen zögerlichen Schritt vor, dann noch einen, und schließlich ging er an Rajin vorbei und hob die Nase wie ein Tier, das Witterung aufnehmen will. Er wandte den Kopf nach rechts und nach links, und Rajin glaubte sehen zu können, wie
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