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DRACHENERDE - Die Trilogie

DRACHENERDE - Die Trilogie

Titel: DRACHENERDE - Die Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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mittleres Haus in Drakor. Halbe Turmlänge nannte man diese Größe in der Hauptstadt Drachenias, wo es seit vielen Generationen ein kaiserliches Gesetz gab, nachdem in Drakor kein Gebäude außerhalb des Palasts die Wachtürme überragen durfte. Grund dafür war, dass es den Soldaten des Kaisers möglich sein sollte, ungehindert die gesamte Stadt zu überblicken. Später waren dann findige kaiserliche Finanzbeamte auf die Idee gekommen, ab der Hälfte der durchschnittlichen Turmlänge von jedem Gebäudebesitzer eine Sondersteuer zu verlangen, um damit die Staatsfinanzen zu sanieren. Damit war die halbe Turmlänge ein gängiges Maß geworden, um Gebäudehöhen zu messen.
    „Also, ich kann hier nichts entdecken, was in irgendeiner Wiese besonders wäre“, stellte Koraxxon fest, während der Blick des Dreiarmigen suchend umherglitt.
    In diesem Augenblick stürzte eine Gestalt durch die scheinbar so harte Felswand, die sich für einen kurzen Moment auflöste und den Blick auf den Eingang einer Höhle freigab. Der Unbekannte trug eine weiße Kutte, die von einem Gürtel zusammengehalten wurde, und das Haar fiel ihm lang über die Schultern. An den Seiten aber stachen unübersehbar spitze Ohren hindurch, die dem Fremden etwas zutiefst Nichtmenschliches gaben.
    Das Gesicht war so bleich, wie man es von einem Toten erwartete hätte, und Rajin fühlte sich an das Elfenbein der Seemammuts erinnert, die er früher gejagt hatte – oder an das fahle Licht des Schneemondes, der von Nacht zu Nacht anzuschwellen schien. In der Rechten hielt der Mann ein Schwert, in der Linken einen Wanderstab.
    Kein Zweifel, dies musste der Bleiche Einsiedler sein, von dem Rajin schon so viel gehört hatte.
    „Was fällt Euch Barbaren ein!“, rief er mit dröhnender Stimme. „Was zerstört Ihr Narren meinen Garten, an dem ich länger gearbeitet habe, als ihr Eintagsfliegen normalerweise lebt!“
    Seine Aussprache des Drachenischen war seltsam: Einerseits war da ein fremder Akzent, andererseits benutzte er altertümliche Worte, die schon seit Generationen kaum mehr verwendet wurden.
    Während Ganjon und Koraxxon instinktiv zu den Waffen griffen, hob Rajin beschwichtigend die Hände. „Verzeiht, wenn wir etwas zerstört haben sollten, dass Euch teuer war“, bat er. „Aber erstens lag es nicht in unserer Absicht, Euch einen Schaden zuzufügen, und zweitens sehe ich hier im weitem Umkreis nichts als wildes Gestrüpp, dichtes Unterholz und einen wuchernden Urwald, in dem sich vielleicht Reißzahnaffen wohl fühlen, den man aber kaum als Garten bezeichne könnte.“
    „Offenbar seid Ihr mit Blindheit geschlagen, wie die meisten Bewohner dieser Welt, die …“ Der Bleichgesichtige stockte und starrte auf Rajins metallene Hand. „Oh!“, stieß er hervor und murmelte ein paar Worte in einer Sprache, von der sich Rajin sicher war, sie noch nie zuvor vernommen zu haben. „Ihr tragt die drei Ringe!“
    „So ist es“, entgegnete Rajin, der seinen beiden Begleitern mit einem Zeichen bedeutete, dass sie ihre Waffen wegstecken sollten.
    „Es ist lange her, dass ich einem Kaiser von Drakor Auge in Auge gegenüberstand“, sagte der Bleichgesichtige. „Und heißt es nicht, dass der letzte Träger dieser Herrscherwürde einen der wertvollen Ringe an einen vorwitzigen Affen verlor?“ Er zuckte mit den Schultern. „Zumindest erzählen das die Sterblichen dieses Landes, aber ich gebe zu, dass ich mir abgewöhnt habe, ihren Geschichten zu lauschen, denn sie wiederholen sich über die Jahrhunderte zunehmend, und so kann es sein, dass ich da ein paar Dinge nicht richtig mitbekommen habe.“
    „Ich bin Kaiser Rajin – derjenige, der den Urdrachen Yyuum besiegte und die drei Ringe wieder zusammenbrachte“, stellte Rajin sich vor.
    „Was Ihr nicht sagt. An den Namen Eures Vorgängers kann ich mich allerdings nicht mehr erinnern. Überhaupt geht mir das bei vielen der drachenischen Kaiser so; manche von ihnen regierten so kurz, dass es sich einfach nicht lohnte, ihre Namen im Gedächtnis zu behalten.“
    Rajin lächelte milde und trat unerschrocken einen Schritt näher. Der Bleiche Einsiedler wich zunächst etwas zurück und hob die Spitze seines Schwerts, doch dann schien er sich eines Besseren zu besinnen und steckte die Waffe in die Scheide an seinem Gürtel. Sie war mit kunstvollen Verzierungen versehen – Verzierungen, bei denen sich nicht auf den ersten Blick sagen ließ, ob es sich um Schriftzeichen oder abstrakte Muster handelte, die keinerlei

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