DRACHENERDE - Die Trilogie
durch eine Laune des Zufalls.
Als Ghuurrhaan vor dem Palas des Stadtfürsten niederging, liefen sofort Wächter und Drachenpfleger herbei. Der Stadtfürst von Nangkor eilte seinem Kaiser entgegen. Sein Name war Haljan Ko Yong, und wie die allermeisten Amtsträger des Reichs hatte er dem Usurpator Katagi mit derselben Hingabe gedient, mit der er zuvor Rajins Vater Kojan ergeben gewesen war. Während der Rebellion hatte er sich abwartend verhalten, aber Rajin hatte ihn dennoch in seinem Amt belassen, und bislang hatte sich der neue Kaiser über die Loyalität des Fürsten von Nangkor nicht beklagen können.
„Seid uns willkommen, o Kaiser, auch wenn die Umstände Eures unerwarteten Besuchs nicht sehr erfreulich sind!“, begrüßte Fürst Haljan seinen Gast. Dabei verbeugte er sich so tief, wie es gerade noch akzeptabel war für einen Mann von fürstlichem Rang, ohne dass er dabei sein Gesicht verlor.
„Ich brauche ein Quartier für die Nacht für meine Leute und mich“, erklärte Rajin. „Und natürlich auch einen Drachenpferch für mein Reittier.“
Fürst Haljan verneigte sich noch einmal tief. „Euer Wunsch ist uns Befehl“, sagte er und gab daraufhin ein paar Anweisungen an sein Gefolge. Die Angesprochenen wirkten seltsam starr und reagierten erst mit einer gewissen Verzögerung, nachdem Haljan seine Anweisungen wiederholt hatte, dann aber beeilten sie sich umso mehr.
„Ihr müsst entschuldigen, o Kaiser. Aber viele von uns haben noch nicht den Schrecken überwunden, der über uns alle gekommen ist und jede Nacht aufs Neue über den Himmel zieht.“ Haljan hob den Blick und musterte verstohlen das bunt zusammengewürfelte Gefolge des Kaisers. Er konnte sein Erstaunen nicht ganz verbergen, als er den Ninja und den Dreiarmigen betrachtete und dann noch den Mann mit dem monströsen Beidhandschwert, dessen Gesichtszüge und Physiognomie an die eines Seemannen erinnerten.
„Ich habe die Zerstörungen gesehen“, sagte Rajin. „Von der Kathedrale von Para ist nichts geblieben, und selbst der Fluss wurde durch die Gewalt des Schneemonds aus seinem Bett gerissen.“
„Ja.“ Tiefe Furchen durchzogen Haljans Gesicht. „Wir hatten großes Glück, dass Nangkor verschont wurde. Jetzt wird überall zum Unsichtbaren Gott gebetet, und auch jene, die sich im Geheimen längst verbotenerweise der Huldigung von Geistern, Dämonen und anderen Götzen hingegeben haben, kehren zum wahren Glauben zurück.“
„Wenn in der Hölle die verdammten Seelen zum Glauben finden, so hat dieser himmlische Schrecken seinen Sinn“, murmelte Erich von Belden.
Von Fürst Haljan erntete er dafür ein verwundertes Stirnrunzeln, aber der Fürst enthielt sich eines Kommentars. Dass sich der Kaiser mit einer Schar ihm ergebener Narren umgab, denen er mehr vertraute als den Höflingen, hatte sich in der kurzen Zeit, in der Rajin auf dem Drachenthron saß, bis in die hintersten Winkel Drachenias herumgesprochen, und aus den Gerüchten darüber hatten sich bereits die ersten Legenden um den jungen Kaiser gebildet.
Rajin erkundigte sich auch nach der militärischen Lage – insbesondere danach, ob Luftschiffe der Tajimäer gesichtet worden waren. Haljan berichtete ihm von einem kurzen Gefecht zwischen den in Nangkor stationierten Kriegsdrachen und einer Luftschiffflottille, die aber weit auf den Ozean hinausgedrängt worden sei. „Schlechtes Wetter hinderte unsere Drachenreiter daran, ihnen weiter zu folgen“, erläuterte Fürst Haljan. „Allerdings hätten unsere vorhandenen Kräfte auch nicht gereicht, uns den Luftschiffen zu stellen“, fügte er nach einer kurzen Pause hinzu. „Nangkor liegt mitten im Reich, wenn auch an der Küste. Aber wie Euch ja wohl bekannt ist, o Kaiser, sind die Verbände unserer Kriegsdrachenarmada derzeit an anderen Orten konzentriert, wo sie der Übermacht unserer Feinde standhalten müssen.“
„Ja“, antwortete Rajin nickend und fügte in Gedanken hinzu: Nur dass wir seit ein paar Nächten einen Feind am Himmel haben, dem unsere Armada selbst mit größter Tapferkeit nicht standhalten kann.
Als Rajin den Palas des Fürsten von Nangkor betreten wollte, ließen ihn die Worte Haljans auf den Stufen des Portals verharren. „Es ist nicht so, dass ich Euch die Gastfreundschaft versagen wollte, o Kaiser“, rief er hastig, und als sich Rajin nach ihm umdrehte, rang er offensichtlich nach Worten, bevor er verzweifelt hervorbrachte: „Ihr solltet diese Nacht nicht ausgerechnet hier in Nangkor
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