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DRACHENERDE - Die Trilogie

DRACHENERDE - Die Trilogie

Titel: DRACHENERDE - Die Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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in diesem Küstenabschnitt des Ostmeerlandes immer wieder Gerüchte und Erzählungen darüber gab, dass Vergessene Schatten von der weit im Südosten, inmitten des Ozeans liegenden Insel Qô bis in das Land um Nangkor vordrangen, um sich an den Nachfahren jener zu rächen, die an dem Massaker an den Qôanern mitschuldig waren.
    Bauern behaupteten, Vergessene Schatten hätten ihnen die Pferdeschafe gestohlen, von denen sie später nichts weiter als Knochen gefunden hätten, und die wären auf ganz besondere Weise vom Fleisch befreit worden, wie man es von keinem der wilden Tiere kannte, die im Ostmeerland beheimatet waren. Auch das Verschwinden von Transportdschunken und Fischerbooten schob man mitunter den Rachegeistern aus der Vergangenheit zu, wenn sich nicht eine greifbare natürliche Erklärung dafür finden ließ wie zum Beispiel ein Sturm. Und selbst Drachen fielen ihnen angeblich immer mal wieder zum Opfer.
    All diese Geschichten waren nie glaubwürdig genug gewesen, um die kaiserliche Regierung irgendwelche Maßnahmen ergreifen zu lassen, doch nachdem sich Rajin genau hatte beschreiben lassen, was den Drachenreitern Nangkors in den letzten beiden Nächten begegnet war, kam er zu dem Schluss, dass die Vermutungen der Priester wohl der Wahrheit entsprachen. Von schattenhaften, durch die Luft wirbelnden Kriegergestalten war die Rede, die mit glühenden Schwertern wahllos auf alles einschlugen, was ihnen in die Quere kam. Selbst die Betenden vor den Kathedralen der Stadt waren vor ihnen nicht sicher gewesen.
    Als Fürst Haljan seinen Bericht beendet hatte, wandte sich Rajin an Branagorn und sagte: „Es scheint, als würdet Ihr schon früher Gelegenheit bekommen, die Wirksamkeit Eures Zaubers unter Beweis zu stellen.“
    „Das will ich gern tun“, erwiderte der Bleiche Einsiedler. „Aber wenn Ihr mich fragt, solltet Ihr dem Rat des Fürsten folgen und so schnell wie möglich von hier aufbrechen.“
    „Und die Menschen dieser Stadt ihrem Schicksal überlassen?“
    „Es ist ein Schicksal, das sie sehr wahrscheinlich ohnehin ereilen wird, sobald der Schneemond auf die Drachenerde stürzt“, meinte Branagorn. „Wenn wir das Geheimnisses der kosmische Tore rechtzeitig ergründen wollen, wird es am Ende auf die Zeit ankommen, die uns noch bleibt. Und jeder Tag, den wir in dieser Stadt verbringen, könnte uns am Ende fehlen.“
    Rajin sah Branagorn missgelaunt an. „Es muss an der unfassbaren Länge Eures Lebens liegen, dass Ihr offenbar jedes Mitgefühl verloren habt, Bleicher Einsiedler!“
    „Der Verstand sollte stets die Oberhand behalten über das Gefühl, o Kaiser“, entgegnete Branagorn ungerührt.
    „Das sagt einer, den es um der hoffnungslosen Liebe zu einer Toten willen in eine fremde Welt verschlug“, sagte Koraxxon, der sich diesen spöttischen Kommentar einfach nicht verkneifen konnte.
    Branagorn richtete den Blick auf den Dreiarmigen und nickte schließlich. „Glaubt mir, ich bin nicht zur Einsicht gelangt ohne die bittere Erkenntnis meiner eigenen Fehler.“
     
     
    Es blieben nur wenige Stunden, um sich auszuruhen. In den beiden vergangenen Nächten waren die Vergessenen Schatten aufgetaucht, sobald der Augenmond im Zenit stand, und so war es auch in dieser Nacht.
    Der Schneemond hatte eine dunstige Aura, die sein Licht auf eigentümliche Weise streute, und er wirkte dadurch noch größer als sonst, aber Branagorn versicherte, dass es sich dabei um eine Täuschung der Sinne handelte. In Wahrheit sei ihnen der Mond keineswegs näher als in den vergangenen Nächten. Im Gegenteil. Branagorn behauptete sehen zu können, dass sich der Mond des Verrätergottes sogar entfernt habe, um anderswo seine Bahn der Zerstörung zu ziehen.
    Selbst dem menschlichen Auge konnte nicht entgehen, dass er in dieser Nacht weit im Süden aufging und völlig aus der Perlenkette der fünf Monde ausgeschert war.
    Jeder – gleichgültig, wo in den fünf Reichen er in dieser Nacht auch zum Himmel blicken mochte – konnte erkennen, dass eine fundamentale Veränderung stattgefunden hatte. Ein Gestirn war nicht mehr an seinem angestammten Platz und vagabundierte in einem chaotischen Lauf über den Himmel.
    Das eigentlich übliche Bankett zu Ehren des Kaisers fiel an diesem Abend aus. Es gab nur eine einfache Mahlzeit, dann zogen sich die Gäste in die zur Verfügung gestellten Quartiere zurück. Nur für Branagorn galt dies nicht. Er gab an, Vorbereitungen für ein erneutes Erscheinen der Vergessenen Schatten treffen

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