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DRACHENERDE - Die Trilogie

DRACHENERDE - Die Trilogie

Titel: DRACHENERDE - Die Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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die Luft und ließ sie dann durch einen halb im Wasser versunkenen Leuchtturm fahren. Die Klinge glitt durch den Stein, als böte dieser keinerlei Widerstand, ein Zischen erklang, und die obere Hälfte des Turms wurde abgetrennt und fiel in das dunkle, brackige Wasser, welches das Hafengebiet Nangkors bedeckte.
    Das war offenbar das Zeichen zum Angriff. Die Riesenschatten stürmten wie gewichtslos über das Wasser.
    Doch auch Branagorn schien endlich den richtigen Moment für gekommen zu halten, um einzugreifen. Er sprang auf, kletterte auf die Zinnen des Hauptturms und reckte die ausgestreckten Hände zum Himmel. Dabei murmelte er eine Formel vor sich hin und schloss für einen kurzen Moment die Augen, dann griff er in die Tasche aus Wolfshirschleder und entnahm ihr einen verkorkten Behälter aus blau schimmerndem Glas; eine leuchtende Substanz im Inneren gab dem Behälter seine Färbung.
    Branagorn zog den Korken heraus und streute den Inhalt in die Luft. Feinste, in der Nacht blau leuchtende Teilchen schwebten wie ein wirbelnder Insektenschwarm davon. Sie drehten sich umeinander wie jene dunklen Rauchteilchen, aus denen die angreifenden Schatten verstofflicht waren, wirbelten wie blau leuchtende Glühwürmchen immer schneller dahin, bildeten dabei einen Schwarm, der dichter und dichter wurde, und formten schließlich eine Kugel aus Licht, die wie ein verkleinertes Abbild des Meermondes wirkte.
    Bei ihrem Anblick wandelten sich die klagenden Laute der riesenhaften Schatten und wurden zu wütendem Gebrüll. Vielleicht erkannten sie, dass ihnen diesmal jemand entgegentrat, der ihnen schon einmal – wenn auch vor sehr langer Zeit – Einhalt geboten hatte.
    Der Lichtball sprengte auseinander und zerstob in einem Dutzend blitzartig zuckender Lichterscheinungen, die jeweils bestimmte Punkte in Nangkor trafen. Es waren vor allem Türme - sowohl die Turmspitzen von Kathedralen als auch Wachttürme, die zu den Verteidigungsanlagen der Stadt gehörten – und ein Leuchtfeuerturm, der Dschunken die Einfahrt in den inneren Hafenbereich und die Kanäle ermöglicht hatte; Letztere durchzogen das Markt- und Geschäftsviertel der Stadt Nangkor mit seinen Drachenlandeplätzen und den Haltemasten für tajimäische Luftschiffe. In Friedenszeiten lagerten dort auf Dutzenden von Plätzen Waren, die mit Luftschiffen aus Tajima kamen und dann in die Lastengondeln der Transportdrachen umgeladen wurden, da innerhalb Drachenias nur sie Fracht durch die Lüfte tragen durften. Da diese Umladeplätze mehr oder minder verwaist waren, kampierten dort Flüchtlinge aus dem Umland und die wenigen, die es aus den Gebieten am Pa-Fluss inzwischen bis nach Nangkor geschafft hatten.
    Die Meisten hatten die letzten Nächte unter freiem Himmel verbracht, und unter anderen Umständen wären sie sicherlich von Dieben heimgesucht worden, die sie um ihre letzte verbliebene Habe erleichtert hätten. Aber wenn die schrecklichen Himmelszeichen der letzten Nächte irgendetwas Gutes bewirkt hatten, dann war dies eine massenhafte Läuterung des Diebesgesindels, das ansonsten in den engen und stets übervölkerten Straßen Nangkors immer dafür gesorgt hatte, dass sich niemand seines Besitzes sicher sein konnte. Welchen Sinn hatte es noch, ein paar Reichtümer zu stehlen, wenn das Ende des fünften Äons angebrochen war? Was konnte man sich für ein paar gestohlene Silberstücke mit dem Symbol des drachenischen Kaisers darauf noch kaufen, wenn am Himmel ein Mond aus seiner Bahn brach und damit drohte, die ganze Welt zu zerschmettern.
    Priester der Kirche des Unsichtbaren Gottes kümmerten sich auch um die Flüchtlinge und predigten zu ihnen, doch die allgemeine Furcht konnten ihre Worte nicht vertreiben.
    Auf genau zwölf Türmen in Nangkor hatte Branagorn zuvor jeweils eine Prise des bläulich leuchtenden Pulvers verstreut. Dorthin zuckten die Blitze aus der Lichtkugel, die daraufhin für einige Augenblicke verschwand. Doch als einer der Schattenriesen mit einem Hieb seines glühenden Schwerts das Obergeschoss eines Hauses samt Dach abtrennte und es anschließend mit einem Fußtritt herabstürzen ließ, schoss das blaue Licht von all den zwölf Stellen, an denen Branagorn das Pulver ausgestreut hatte, zurück, und die Lichtkugel bildete sich erneut. Ihr meermondartiges Blau verwandelte sich jedoch in ein dunkles Rot, das an einem aufgeschmolzenen, glühenden Drachenbasalt erinnerte.
    Schreie der Verzweiflung gellten durch die Stadt, als der Schattenriese

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