DRACHENERDE - Die Trilogie
Anteil, der sich aus Komrodors Seelenresten neu zusammengefügt hatte, dominierte nicht mehr. Da war ein anderes Element hinzugekommen und hatte die Kontrolle übernommen. Eines, dem die Kraft der Vergessenen Schatten innewohnte, aber keineswegs mit ihnen identisch war.
Du hast dich abermals gewandelt, stellte Rajin fest.
„Notgedrungen“, gab die Gedankenstimme zur Antwort. „Und dir steht das Gleiche bevor.“
Nein!, beharrte Rajin.
„Ich glaube nicht, dass du eine andere Wahl haben wirst!“
Die Freude darüber, dass Rajin wieder unter den Lebenden weilte, war bei Koraxxon und Ganjon riesengroß. Für sie hatte die Auseinandersetzung mit dem Traumhenker so ausgesehen, als würde der junge Kaiser gegen ein Traumgespinst kämpfen, und Branagorns Worte hielten sie für Selbstgespräche oder zaubermächtige Formeln.
Erich von Belden zeigte sich in dieser Hinsicht zurückhaltend, ganz wie es seiner Art entsprach. Offenbar war er der Überzeugung, dass es irgendeine Teufelei sein musste, die Rajin zurück ins Leben geholt hatte, und er schien für sich selbst noch nicht endgültig entschieden zu haben, ob er dies gutheißen oder verdammen sollte, also schwieg er zunächst.
Koraxxon hingegen wandte sich ziemlich ungeniert an Branagorn. „Gleichgültig, was man auch sonst über dich sagen mag, Bleicher Einsiedler – einen Heiler wie dich habe ich noch nicht erlebt! Würde ich unter einem Gebrechen leiden, ich hätte keine Hemmungen, mich deiner Behandlung zu unterziehen. Tote zum Leben zu erwecken – das ist wahrlich eine Kunst, die nicht jeder beherrscht!“
„Ich fürchte, der Verdienst steht in diesem Fall anderen Mächten zu, die ich vielleicht unterschätzt habe“, beschwichtigte Branagorn.
In diesem Moment erhob sich der Schneemond über dem Horizont. Es sah aus, als würde er aus dem Meer steigen und als wäre es die Sonne, die aufging, so groß und hell war die weiße Scheibe in dieser Nacht.
Auf einmal zog sich ein Riss mitten durch die Felsenkanzel, auf der sich Rajin und seine Begleiter befanden, und der Boden bebte so heftig, dass es diesmal nicht nur Branagorn bemerkte; Koraxxon ruderte sogar mit den Armen, und Ghuurrhaan stieß ein lautes Brüllen aus. Der Riss zog sich bis zu den ersten Gebäuden der Ruinenstadt und spaltete eine Mauer und brachte sie zum Einsturz, als hätte eine unsichtbare Axt sie einfach durchschlagen wie einen Holzscheit.
„Wir sollten von hier so schnell wie möglich verschwinden“, meinte Ganjon. „Seht doch nur!“ Und damit deutete er zum schwarzen Felsen vor der Küste der Insel, der wieder zu leuchten begonnen hatte. Von der schwarzen Färbung war fast nichts mehr zu sehen, stattdessen wirkte er wie ein aufgeschmolzener Lavastein, nur verlor er nicht seine Form. Dann nahm sein Glühen einen pulsierenden Rhythmus an.
Doch der leuchtende Fels war es nicht, der den tapferen Ninja so sehr erschreckte, sondern eine graue Wand aus Wasser, die dahinter aufragte, während sich zugleich die Fluten vor der Küste zurückzogen und den Sockel des schwarzen Felsens freilegten.
„Allmächtiger!“, stieß Erich von Belden hervor.
„Der Schneemond zieht das Wasser zu sich heran“, erkannte Branagorn. „Wenn seine Kräfte es wieder freilassen und es sich an dieser Küste bricht, wird es die Insel verschlingen.“
„Nichts wie weg!“ Koraxxon wirbelte herum und machte sich bereits auf den Weg zu Ghuurrhaan, der einen fast wimmernden Laut von sich gab.
„Der schwarze Felsen ...“, murmelte Branagorn. „Die Kräfte des Schneemonds haben auch Einfluss auf die kosmischen Tore, so scheint es.“
Wie zur Bestätigung seiner Worte schoss ein bläulicher Strahl aus dem glühenden Felsen und formte für einen kurzen Moment einen Lichtbogen, ehe er verblasste.
So schnell es ging, bestiegen Rajin und seine Begleiter den ehemaligen Wilddrachen. Rajin spürte die Nervosität, die den Drachen erfüllte, und auch die Furcht, die selbst dieses gewaltige Geschöpf zu lähmen drohte. Der Drachenkaiser versuchte sein Reittier zu beruhigen, aber der Drache spürte wohl, wie wenig Hoffnung Rajin selbst noch hatte. Die Gefahr durch die Vergessenen Schatten war gebannt, aber dass das Verhängnis noch abzuwenden war, das die ganze Welt bedrohte, schien auch dem jungen Kaiser unwahrscheinlich. Im Angesicht des riesigen Schneemonds war es selbst für den Exodus durch die kosmischen Tore längst zu spät.
Rajin umfasste mit der Metallhand den nächstgelegenen Rückenstachel
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