DRACHENERDE - Die Trilogie
meinte Ganjon. „Ich weiß nicht, wen Ihr in Eurer Welt zurückgelassen habt, aber ...“
„Niemanden“, unterbrach ihn Erich. „Abgesehen von meinen beiden Reittieren, um die sich gern jemand anders kümmern wird.“
7. Kapitel
Wenn der Schneemond fällt ...
Rajin lenkte Ghuurrhaan zu dem deutlich aus dem Dschungel herausragenden Gebirgsring, von wo sich der Lichtbogen bis zu einem quaderförmigen schwarzen Felsen gespannt hatte, dessen Sockel nun unter Wasser stand.
Branagorn hatte sich die Stelle, wo der Lichtbogen im Gebirge seinen Anfang genommen hatte, genau gemerkt und leitete Rajin dorthin.
„Ich nehme an, dass wir dort etwas finden, womit sich der Mechanismus des Tors beeinflussen lässt“, erklärte der Bleiche Einsiedler. „Vielleicht eine Höhle, wie sie sich unterhalb der Kathedrale des Heiligen Sheloo befindet.“
„Ich hoffe nicht, dass jemand hier denkt, wir sollten auf die Drachenerde zurückkehren“, meldete sich Koraxxon zu Wort. Er warf noch einmal einen kurzen Blick zum Schneemond, der sich auf so bedrohliche Weise jener Welt näherte, die ihren Namen den Drachen verdankte und die im Verlauf von Äonen die Heimat so vieler anderer Geschöpfe geworden war, die sie durch die kosmischen Tore betreten hatten.
Nun schien es, als würde sich diese Zeit unwiderruflich dem Ende neigen. Selbst der Himmel war in Unordnung geraten, und offenbar gab es keine Macht im Polyversum, die dieses Unheil noch verhindern konnte. Mochten die grobschlächtigen Götter der Seemannen auch im jungen Drachenkaiser denjenigen erkannt haben, in dessen Person sich viele Schicksalslinien bündelten – in diesem Fall hatte auch ihre Göttlichkeit sie nicht davor bewahrt, vagen Hoffnungen zu folgen, für die es in Wahrheit keinerlei Grundlage zu geben schien.
„Also ich für meinen Teil würde es vorziehen, hier zu bleiben“, fuhr Koraxxon fort. „Unsere Reise zum Jademond war zwar nicht geplant, aber ich betrachte sie als glückliche Fügung.“
„Wir werden auch hier nicht überleben können“, wandte Branagorn ein. „Wenn der Schneemond in die Drachenerde schlägt, bleibt das auch für diesen Mond hier nicht ohne Folgen. Wer weiß, was dann hier geschehen mag. Man muss nur einen Blick zum abdriftenden Blutmond werfen, um zu erahnen, was uns hier erwartet. Dort draußen im All ist das ewige Reich der Kälte, der vielleicht ich eine Weile werde trotzen können, aber nicht ihr - nicht einmal ein robuster Dreiarmiger.“
„Und was ist Euer Vorschlag?“, fragte Erich von Belden. „Meint Ihr, wir sollten eine andere Höllenwelt aufsuchen?“
„Falls es mir gelingt, den Mechanismus des Tors wenigstens ansatzweise zu entschlüsseln, wäre das in der Tat eine Möglichkeit“, meinte Branagorn. „Wobei ich bemerken möchte, dass es nicht unbedingt eine Höllenwelt sein sollte, in die wir flüchten.“
„Wahrscheinlich haben wir sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, was eine Hölle ist und was ein Himmel.“
„Mag sein“, gestand Branagorn ein. „Ich nehme an, dass in Eurer Welt der Himmel eine Metapher für das Gute und Erhabene ist.“
„Das ist wahr“, bestätigte Erich.
Branagorn drehte sich halb herum und deutete noch einmal in Richtung des abstürzenden Schneemonds. „Angenommen, es gäbe vernunftbegabte Wesen, die in der Lage wären, das, was dort gerade geschieht, zu überleben. Ich glaube kaum, dass auch nur einer unter ihnen im Himmel etwas anderes sehen würde als ein Symbol des Chaos und der Vernichtung.“
Rajin lauschte den Worten seiner Begleiter, doch er selbst weigerte sich, schon alle Hoffnung zu begraben. Wäre dann nicht sein ganzes Leben umsonst gewesen? Der Sieg über Katagi, die Begegnung mit dem Urdrachen Yyuum, der Kampf gegen die Vergessenen Schatten, deren Kraft er in sich aufgenommen hatte? Das alles wäre vergebens gewesen, wenn geschah, was Propheten und Zahlenkünstler seit langer Zeit vorhergesagt hatten.
Rajin dachte auch an Nya und seinen ungeborenen Sohn und …
„Sie sind nicht mehr als ein Nebenfluss der Zeit, der ins Nichts führt und im Ödland versandet“, meldete sich die Metallhand wenig mitfühlend in seinem Geist. „So etwas gibt es häufiger, als man glauben mag. Aber schon bald wird es sein, als hätten sie nie existiert, und die Erinnerung an sie wird dir absurd erscheinen.“
Schweig!, dachte Rajin mit all der geistigen Intensität, zu der er fähig war.
„Kannst du die Wahrheit nicht ertragen, Rajin? Das ist bedauerlich.
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