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DRACHENERDE - Die Trilogie

DRACHENERDE - Die Trilogie

Titel: DRACHENERDE - Die Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Monde aufgingen, erstarb das Gekreische der Eismöwen.
     
     
    In dieser Nacht kam ein Strahl vom Augenmond herab, als dieser über den Horizont gestiegen war. Der Strahl traf bei den Pferchen für die Riesenschneeratten auf, und im nächsten Moment erschien die düstere Gestalt Ogjyrs. Wie stets stützte er sich auf seine monströse Henkersaxt. Das fahl unter der Kapuze hervorleuchtende Gesicht glich dem Oval des Augenmonds.
    Der Todverkünder ließ den Blick über das Leichenfeld schweifen. Eine vorwitzige Eismöwe zog über den Ruinen ihre Kreise, und in seiner Ungeduld stieß das Tier ein völlig respektloses Kreischen aus.
    Ogjyr streckte die freie Hand in Richtung der Möwe aus, ballte die knochigen, dürren Finger zur Faust und öffnete sie wieder.
    Das Kreischen erstarb, und von einem Augenblick zum nächsten völlig entseelt, stürzte der Vogel aus dem nächtlichen Himmel und schlug mit einem dumpfen Laut auf dem Boden auf.
    Der Herr des Augenmonds krampfte seine Hand wieder zur Faust zusammen – so als hätte er dem Vogel etwas Unsichtbares genommen, das er nun festhalten musste.
    Er ging zu jenen Stelle, wo Wulfgarskint Wulfgarssohn vom Feuer eines Kampfdrachens verbrannt worden war, während gleichzeitig sein Vater durch die Waffen der Drachenier starb.
    „Ein Moment, erfüllt von der wunderbaren Kraft des Hasses", sprach der Totengott zu sich selbst. „Ein Moment, wie ihn die kunstlosen Weber der Schicksalsteppiche auf Groenjyrs Jademonde nur selten zustande bringen.“
    Er sprach oft mit sich selbst, denn weder Sterbliche noch Götter brachten für gewöhnlich die nötige Geduld auf, ihm zuzuhören. Davon abgesehen teilten die Wenigsten seinen Hang zu beißendem Sarkasmus und grausamer Ironie.
    Aber wenigstens war unter all den Seelen, die es hier zu trennen galt, eine, die zu einem Handel bereit war …
    Ogjyr streckte die noch immer zur Faust geballte Hand aus und machte ein paar Schritte nach vorn, wobei er sich mit der anderen Hand die Axt über die Schulter legte.
    Als er direkt vor den sterblichen Überresten von Wulfgarskint stand, hielt er die Faust darüber und öffnete sie.
    „Eine Seelenkraft genommen, eine Seelenkraft gegeben! Erwache, mein Seelensklave!“
    Wie von einem Geisterwind aufgewirbelt, erhob sich die Asche vom Boden. Kleinste Stücke tanzten wie unruhige Mücken durch die Luft.
    „Kraft sei mit dir! Die Kraft des Hasses und der Wunsch nach Vergeltung, der unstillbare Drang zu töten und die finsterste Zauberkraft, vor deren Anwendung selbst die Herren von Magus zurückschrecken würden!“ Der Herr des Augenmonds stieß ein schauerliches Gelächter aus, während sich die durcheinander wirbelnden Aschestückchen verdichteten. Immer mehr Asche, Reste verkohlten Gebeins und was sonst noch von dem vierzehnjährigen Jungen und seinem Reittier geblieben war, kreiste in einem Strudel zauberischer Kraft.
    Die Gestalt eines wahren Hünen formte sich. Er war um die Hälfte größer als selbst die größten der für ihren kraftvollen Wuchs bekannten Seemannen von Winterland. Die Schultern waren so breit wie die von zwei gewöhnlichen Kriegern, und die dicken Arme endeten in riesenhaften Pranken.
    Die Gestalt trug ein Wams und ebensolche Hosen nach Art der Seemannen, nur dass beides so fleckig war, als hätten die Kleidungsstücke monatelang in der Erde oder auf dem Grund von Njordirs nassem Reich gelegen, und dort vor sich hin gerottet.
    Der Anblick des Gesichts machte klar, dass diese Kreatur kein Mensch mehr war. Der Kopf glich dem einer Schneeratte, nur das er im Verhältnis zum Restkörper unwesentlich größer war, als es ein menschlicher Schädel gewesen wäre.
    Das Rattenmaul öffnete sich, und ein fauliger Geruch drang daraus hervor. Die Zähne glichen in keiner Weise dem typischen Gebiss einer Riesenschneeratte, sondern eher dem eines Eiswolfs.
    Ein grollender Laut entrang sich der Kreatur. Sie spannte die Muskeln ihrer gewaltigen Arme, ballte die riesigen Pranken zu Fäusten, dann trommelte sich das Geschöpf auf den Brustkorb. Etwas Aschestaub löste sich dabei von seinem Körper. Der Rattenmann brüllte laut auf, und es klang gleichermaßen schmerzerfüllt und wütend.
    Er starrte fassungslos auf seine riesigen Hände und betastete dann den neuen Körper, der eine groteske Mischung jener zwei Geschöpfe war, die an dieser Stelle von dem sengenden Drachenfeuer verbrannt worden waren.
    Sein unförmiges Rattenmaul formte ein gequältes, für menschliche Ohren kaum

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