Drachenflamme: Roman (German Edition)
Dieses Mal war sie mit den kleinen, gelben Früchten versetzt, die an einem der Büsche wuchsen, welche Temeraire herausgerissen hatte. Tharkay hatte darauf hingewiesen, dass die Eingeborenen sie seiner Meinung nach gesammelt hatten, und als er davon kostete, sorgte es für keinerlei Irritationen. Sie waren leicht süß und hatten einen kräftigen Geschmack wie Tomaten, obwohl sie viel eher wie Rosinen aussahen.
»Willst du versuchen, wenigstens ein bisschen was zu essen, ehe du schläfst?«, fragte Laurence. »Wir können dir ein paar Kängurus klein schneiden, damit sie leichter rutschen. Du kannst nicht schnell wieder richtig gesund werden, wenn du so an deine Grenzen gehst und nichts isst.«
»Ja, ich denke, ich versuche es«, sagte Temeraire, der ganz optimistisch gestimmt war. Vielleicht schaffte er ja wenigstens ein Känguru, allerdings ohne die Knochen, denn die gingen direkt in die Suppe, um nicht verschwendet zu werden. Als er sich schließlich in den Sand legte, um zu schlafen, nagte der Hunger nicht mehr ganz so stark an ihm.
Um den Abend noch abzurunden, las Laurence ihm ein bisschen vor. Als ihr Interesse an dem inzwischen schon vertrauten Text
nachließ, legte Laurence das Buch weg, und Temeraire sagte: »Ich habe über das Tal nachgedacht, Laurence. Vielleicht könnten wir einige dieser roten Steine aus der Wüste mitnehmen, wenn wir zurückkehren, und sie für den Bau des Pavillons verwenden. Würde es mit dem gelben Gestein hier nicht ein sehr interessantes Muster abgeben?«
»Gegen deinen Geschmack ist nichts einwenden«, sagte Laurence und betrachtete die rote Erde, »auch wenn ich glaube, dass es eine große Anstrengung bedeuten wird, so viele Steine mitzunehmen. Aber ich denke, wir werden dafür Zeit haben.«
Laurence schwieg eine Weile. Die klare Nacht war nun angebrochen, der Mond stand glänzend am Himmel, und die Luft war kühl und angenehm nach der Sonnenglut des Tages. Die Wüste darunter war eine endlose Weite voller Schatten von Grasnarben und dürren, struppigen Bäumen, in der Ferne erhoben sich die Dünen wie Wellen, und das Wasser war ein silbriger Spiegel, der von unten zu ihnen hinaufschimmerte. Temeraire glaubte, Laurence sei vielleicht eingeschlafen, doch dann sagte der leise: »Ich habe vorher kein Gefühl dafür gehabt, wie riesig und wie seltsam fremd dieses Land ist, bis wir so weit vorgestoßen sind.«
»Laurence«, begann Temeraire vorsichtig und hielt den Atem an, während er auf eine Antwort wartete, »bist du sehr traurig, dass wir nicht nach England zurückkehren?«
»Ich mache mir Sorgen um das Wohlergehen unseres Landes«, sagte Laurence, »und um unsere Freunde, die wir zurückgelassen haben. Es ist hart, sie in schweren Zeiten zu wissen und das Gefühl zu haben, man wäre anderswo von größerem Nutzen, ohne tatsächlich eingreifen zu können. Aber in persönlicher Hinsicht, mein Lieber, habe ich wenig zu vermissen. Ich bin schon lange daran gewöhnt, auf Korrespondenz angewiesen zu sein, um enge Freundschaften zu pflegen. Das ist bei einem Seemann unumgänglich.«
Er hielt einen Moment inne, dann sagte er leise: »Dass wir hier
festsitzen, muss für dich schlimmer sein als für mich. Ich habe Tharkays Vorschlag nicht vergessen, nur …« Er brach ab.
»Nun ja, ich muss zugeben, dass das Freibeutertum prächtig in meinen Ohren klingt«, sagte Temeraire, und es gelang ihm nicht, einen Anflug von Sehnsucht zu unterdrücken. »Aber, Laurence, ich sehe, dass dir der Gedanke daran nicht gefällt. Und ich würde mich auf keinen Fall dafür entscheiden wollen, wenn du nicht auch zufrieden damit wärest. Ich dachte nur, du würdest vielleicht den Krieg vermissen.«
»Den Krieg? Nein«, erwiderte Laurence. »Das Gefühl, nützlich zu sein? Ja. Aber es ist sinnlos, darüber nachzudenken. Es tut mir sehr leid, mein Lieber, aber ich hege keinerlei Hoffnung auf eine Begnadigung.«
»Aber wir werden hier doch nicht nutzlos sein«, sagte Temeraire. »Schließlich haben wir unser Tal gefunden.«
»Das wäre tatsächlich was«, bestätigte Laurence, »einmal etwas aufzubauen, anstatt immer nur einzureißen, ja.«
So konnte Temeraire erleichtert seinen Kopf auf den Sand legen und sich, ehe er einschlief, der angenehmen Beschäftigung widmen, in seinem Kopf den Plan für seinen Pavillon zu entwerfen, der mit seinem Muster aus roten und gelben Steinen angemessen prachtvoll sein würde, um Laurence über jedes Gefühl von möglicherweise noch aufkommender Wehmut
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