Drachenflamme: Roman (German Edition)
sie nur konnten, immer weiter. Sie kamen gut voran; nach und nach wurde der Drache vor Laurence’ Fernrohr größer, obwohl seine riesigen Flügel breiter waren als die Linse vor Laurence’ Auge. Temeraire und Iskierka hetzten weiter, trotz der sengenden Hitze der Sonne, und sie behielten die ganze Zeit den Drachen in Sichtweite. Die Abenddämmerung war eine willkommene Erleichterung, doch es gab noch immer keine Erholungspause für sie. Der Drache, den sie verfolgten, landete nicht, um sich auszuruhen, und so gab es diese Möglichkeit auch für sie nicht.
Die Nacht brach an, und der Mond schien silbrig. Laurence musste sich nun anstrengen, um den Drachen nicht aus den Augen zu verlieren, der wie ein Tintenfleck vor den Sternen dahinglitt und noch immer nicht anhalten wollte. Er bewegte kaum seine Flügel; hin und wieder machte er einen Schlag, um einen Aufwind einzufangen, doch ansonsten passierte nichts, wie bei einem der großen Seevögel – einem Fischadler oder einem Albatros –, die friedlich dahinsegeln konnten und sich eher am Himmel als auf dem Boden ausruhten.
Langsam wurde die Verfolgung immer schwieriger. Temeraires Atem ging angestrengter und rasselnder als zuvor, und auch Iskierkas Geschwindigkeit ließ nach. Sie waren bereits einen ganzen Tag lang geflogen, ohne mehr als nur äußerst kurze Pausen zu machen,
in denen sie sich noch im Flug ein paar Wildtiere griffen oder einige Schlucke Wasser aus einem der seichten Bäche tranken.
»Da ist wieder Wasser«, meldete Granby schließlich, und seine Stimme wehte schwach, aber deutlich zu verstehen durch die Luft zu ihnen herüber. Temeraire und Iskierka landeten an dem glänzenden Wasserlauf, um einen Schluck zu trinken; ihre Beine zitterten, und ihre Flügel hingen beinahe bis auf den Boden.
Granby sprang von seinem Drachen. »Mr. Forthing«, sagte Laurence leise, »lassen Sie uns absteigen und uns um das Lager kümmern. Vielleicht dort, bei den Felsen, etwas entfernt vom Wasser.«
»Ja, Sir«, war alles, was Forthing erwiderte. Ihr Misserfolg bedrückte sie alle.
Temeraire und Iskierka sprachen kein Wort. Sie tranken tief und durstig, und dann sackten sie auf dem Sand zusammen und schliefen sofort ein, kaum dass sie abgeladen worden waren. Forthing trieb die anderen Flieger an, und sie bildeten eine Phalanx von Pistolen und gezückten Messern, sodass die Strafgefangenen unter diesem Schutz eilig ihre Kanister und Wasserbehälter auffüllen konnten, ehe sie sich wieder in die Sicherheit der Felsen flüchteten, wo sie ihren trockenen Zwieback aßen und ein wenig heißen Tee tranken.
»Weißt du, das Schlimmste ist, dass ich glaube, sie wollten uns nicht unbedingt entkommen. Ich bin überzeugt, dass sie uns gar nicht gesehen haben«, sagte Granby müde und streckte erst das eine, dann das andere Bein aus, dann wieder das erste, um die Steifheit von fast zwanzig Stunden an Bord zu vertreiben. Laurence setzte sich lieber noch nicht hin, denn er befürchtete, sobald er sich niedergelassen hätte, würde er erst mal nicht wieder aufstehen können.
»Nein«, sagte Laurence. »Die gesamte Mannschaft wurde unterm Bauch transportiert, um nicht der Sonne ausgesetzt zu sein, und soweit ich das beurteilen kann, haben die Männer geschlafen. Der Drache hat sich nicht ein einziges Mal umgesehen.« Er schüttelte den Kopf. »Vielleicht hat das Tier selbst beim Fliegen geschlafen.
Ich weiß, dass Temeraire das bei Langstreckenflügen manchmal macht.«
»Jedenfalls fällt er in einen Halbschlaf«, bestätigte Granby. »Hast du diese Flügel gesehen? Ich schätze, der Drache kann damit zwei Mal um die ganze Welt fliegen, wenn er will. Etwas Derartiges habe ich noch nie gesehen. Das ist kein Wildtier; das ist eine Züchtung, wenn du mich fragst, und ich wüsste nur zu gerne, woraus sie hervorgegangen ist. Schließlich haben wir hier in diesem Land doch noch keinen einzigen anderen Drachen gesehen.«
»Ihre Sorglosigkeit spricht dafür, dass sie uns nicht bemerkt haben«, sagte Tharkay leise. »Und sie haben uns nicht bemerkt, weil sie nicht Ausschau gehalten haben. Sie haben nicht damit gerechnet, dass sie verfolgt werden könnten.«
»Glaubst du, die haben den Drachen von irgendwo anders her?«, fragte Granby. »Ich vermute, eine solche Art könnte es auf Java geben, bei all diesen Inseln, zwischen denen man hin- und herfliegen muss. Aber wie kann es sein, dass wir noch nie einen von ihnen gesehen haben? Ein solches Ei müsste doch über eine halbe Million
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