Drachenflamme: Roman (German Edition)
du dich noch an Avram Maden?«
Laurence nickte ein wenig überrascht: Seitdem sie Istanbul verlassen hatten, hatte er den Namen des Händlers nicht mehr aus Tharkays Mund gehört, ebenso wenig wie den von Madens Tochter. Laurence selber hatte gleichermaßen vermieden, den Namen auszusprechen, um bei Tharkay keine alten Wunden aufzureißen. »Ich sehe mich noch immer in seiner Schuld stehen. Ich hoffe, er ist
wohlauf. Er ist doch nach unserer Flucht nicht etwa unter Verdacht geraten?«
»Nein. Ich schätze, unser Abgang war ausreichend dramatisch für die Türken, sodass sie keine Veranlassung hatten, nach Verschwörern zu suchen.« Tharkay hielt inne, dann verzog er ein wenig die Mundwinkel. »Ihm ist kürzlich sein erster Enkelsohn geschenkt worden«, fügte er hinzu.
»Ah«, machte Laurence und streckte den Arm aus, um Tharkays Glas neu zu füllen.
Tharkay erhob es schweigend und trank auf sein Wohl. Eine Minute verging, dann wechselte er abrupt das Thema und sagte: »Auf eine Bitte der Direktoren der Ostindienkompanie bin ich unterwegs, um ihnen einen Dienst zu erweisen, und soweit ich das verstanden habe, sind etliche dieser Gentlemen daran interessiert, Freibeuterschiffe auszustatten, um dem französischen Handel im Pazifik einen Schlag zu versetzen.«
»Ach ja?«, fragte Laurence höflich und wunderte sich, was das mit seiner augenblicklichen Situation zu tun haben mochte. Laurence fiel nicht ein, was für einen Dienst man diesen Geschäftsleuten in der noch immer kleinen Hafenstadt, in der sie sich befanden, erweisen könnte, aber immerhin erklärte es, warum Tharkay ihn begleitet hatte. Und dann dämmerte es ihm, dass Tharkay dies als einen Vorschlag gemeint hatte, und er richtete sich erschrocken auf seinem Stuhl auf.
»Ich würde Temeraire wohl kaum auf einem Freibeuterschiff unterbringen können«, sagte er und wunderte sich ein wenig darüber, dass Tharkay sich das offenbar vorstellen konnte: Es war schließlich nicht so, als hätte er Temeraire noch nie gesehen.
»Ohne dass ich die Angelegenheit mit den fraglichen Gentlemen besprochen hätte«, erklärte Tharkay, »würde ich doch so weit gehen zu behaupten, dass man eine praktikable Lösung finden würde, wenn du bereit wärst, einzuwilligen. Wenn man ein Interesse daran
hat, dann kann man auch Schiffe bauen, die Drachen aufnehmen können. Und ein Drache, der jedes andere Schiff versenken kann, muss Interesse wecken.«
Er sprach mit voller Überzeugung, und Laurence wusste, dass er recht hatte. Unter gewöhnlichen Umständen wäre es undenkbar, einen Drachen für einen solchen Zweck zu gewinnen, denn der Staat hatte ein exklusives Vorrecht auf sie. Die Drachen, die erstklassigen Schiffe und die Transporter, die Drachen aufnehmen konnten, waren ausschließlich dem Blockadedienst vorbehalten oder auch dem Kriegsdienst auf dem Meer, nicht jedoch der raschen Verfolgung und dem Aufbringen von feindlichen Schiffen. Temeraire hätte keinerlei Gegner zu fürchten, und ein Freibeuter, der so ausgestattet wäre, hätte buchstäblich die Freiheit, jedes Schiff einzunehmen, das seinen Weg kreuzte.
Laurence wusste nicht, was er antworten sollte. Es war nichts Ehrenrühriges am Freibeutertum, nichts Anstößiges. Er kannte viele ehemalige Männer der Marine, die sich auf dieses Unternehmen verlegt hatten, und das hatte seinen Respekt ihnen gegenüber nicht im Geringsten geschmälert.
»Ich bezweifle, dass die Regierung dir einen Kaperbrief verweigern würde«, sagte Tharkay.
»Das denke ich auch«, stimmte Laurence zu. Es würde den Lordschaften gut in die Karten spielen. Ein Temeraire, der die französische Handelsschifffahrt zugrunde richtete, wäre eine große Verbesserung gegenüber einem Temeraire, der müßig in Neusüdwales herumsaß. Und es würde nicht das Risiko bergen, das es mit sich brächte, wenn man ihn wieder an die Front und in die Gesellschaft von anderen leicht zu beeindruckenden Tieren schicken würde, die er vielleicht aufstacheln könnte.
»Ich will dich nicht bedrängen«, sagte Tharkay. »Doch wenn du eine Referenz brauchst, stehe ich dir gerne zur Verfügung.«
»Aber das klingt doch fantastisch«, rief Temeraire voller Begeisterung, als Laurence ihm den Vorschlag lediglich in den schlichtesten Grundzügen unterbreitete. »Ich bin mir sicher, dass wir jede Menge Prisengelder gewinnen können, und Iskierka kriegt nichts davon ab. Was glaubst du, wie lange sie brauchen werden, um ein Schiff für uns zu bauen?«
Laurence hatte
Weitere Kostenlose Bücher