Drachenflamme: Roman (German Edition)
und dass Laurence die Auswüchse ihres schlechten Geschmacks, die der arme Granby ausbaden musste, ohnehin nicht gemocht hatte. Doch nun war da auch noch Rankin mit seinen Goldknöpfen, und er war obendrein noch immer ein Kapitän, wie es Laurence eigentlich auch hätte sein sollen. Man konnte die Sache drehen und wenden, wie man wollte: Temeraire hatte nicht richtig auf Laurence achtgegeben, sondern die ganze Sache vermasselt.
»Demane«, sagte Temeraire, hob den Kopf und sprach in der Xhosa-Sprache, damit Rankin sich nicht anschleichen und lauschen konnte, genauso wenig wie Caesar. Demane blickte auf. Er war gerade damit beschäftigt gewesen, gemeinsam mit Roland Rechenaufgaben zu lösen – oder besser gesagt, er hatte die Aufgaben an Sipho weitergereicht, der sie für ihn erledigte, während er stattdessen ein altes Gewehrschloss säuberte. Vor Kurzem hatte er in der Stadt noch vier weitere davon erworben. »Demane, du erinnerst dich doch an diesen Burschen, der vor ein paar Tagen hier war, an MacArthur? Kannst
du für mich in die Stadt gehen, herausfinden, wo er wohnt, und ihm eine Nachricht von mir überbringen?«
»Ich kann mir nicht helfen, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass mir die Situation immer mehr entgleitet«, sagte Laurence mit düsterer Miene und trommelte ruhelos mit der Hand auf dem Tisch herum, bis ihm sein eigenes nervöses Gebaren auffiel. Doch selbst dann kostete es ihn noch einige Mühe, sich zum Stillhalten zu zwingen.
Zuerst hatte er sich noch gewünscht, dass ihm die Entscheidung aus der Hand genommen werden würde, doch mittlerweile glaubte Laurence, er könne nicht mit ruhigem Gewissen zusehen, wie die Führer der Kolonie abgesetzt und hingerichtet werden würden, ohne dass man auch nur auf die Anweisungen aus England wartete. Dies hielt er inzwischen für Blighs eigentlichen Plan. »Aber wenn Rankin ihn in seinen Bestrebungen unterstützt, dann kann ich einer Entscheidung nicht aus dem Weg gehen: Entweder stehen wir tatenlos dabei, oder wir greifen ein. Ich hoffe«, fügte er wehmütig hinzu, »dass ich nicht einfach nur deshalb mehr Mitgefühl für Johnston und MacArthur und weniger für Bligh habe, weil sich Rankin auf dessen Seite geschlagen hat.«
»Es könnte schlimmere Gründe geben«, sagte Tharkay. »Wenigstens wäre deine Entscheidung dann nicht auf Eigennutz gegründet. Blighs Wiedereinsetzung würde deinen Interessen eher entgegenkommen.«
»Nicht, wenn ich nicht selbst derjenige wäre, der ihm zurück ins Amt verholfen hätte«, sagte Laurence, »was jedem Gefühl für Gerechtigkeit zuwiderlaufen würde.« Tiefer Pessimismus sprach aus seinen Worten: »Und ich zweifle sogar, ob das etwas bringen würde. Auch wenn wir handelten, würde das nur zu neuen Verdächtigungen führen. Uns wird auf jeden Fall ein Strick daraus gedreht werden. Alles, was sie von uns verlangen, ist stiller Gehorsam.«
»Ich hoffe, du verzeihst mir«, sagte Tharkay, »aber in diesem Punkt wirst du sie nie zufriedenstellen: Das Letzte, was ihr, du oder Temeraire, jemals irgendjemandem gegenüber an den Tag legen werdet, ist stiller Gehorsam. Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass es besser sein könnte, es gar nicht erst zu versuchen?«
Laurence hätte gerne Einwände gegen diese Behauptung erhoben. Er glaubte an die Disziplin, die für den Militärdienst erforderlich war, und im Grunde seines Herzens fühlte er sich noch immer als diensthabender Offizier. Wenn er gezwungen gewesen war, sich über das gewöhnliche Maß hinaus den Autoritäten zu unterwerfen, hatte er das nur sehr zähneknirschend getan. Aber den Gehorsam zu verweigern, nun, das war doch eine ganz andere Sache. Die Entschuldigung, die Tharkay für ihn formuliert hatte, hatte genau den Wert, den die Lordschaften ihr zumessen würden, nämlich gar keinen.
Tharkay ließ Laurence seine Worte einen Augenblick lang überdenken, dann fuhr er fort: »Es gibt Alternativen, die du vielleicht in Betracht ziehen möchtest.«
»Zum Beispiel hier am anderen Ende der Welt herumzusitzen und zuzusehen, wie man Temeraire an Zuchtaufgaben verschwendet und ihn zur Eintönigkeit verurteilt und jeglicher Gesellschaft beraubt hat?«, fragte Laurence müde. »Ich schätze, wir könnten einige Aufgaben für die Kolonie erledigen: Waren transportieren und beim Straßenbau helfen …«
»Du könntest wieder zur See fahren«, schlug Tharkay vor, und Laurence sah ihn verblüfft an. »Nein, ich mache keine Scherze. Vielleicht erinnerst
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