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Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Titel: Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Ziegenmeyer
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bereit?“
    Die Stimme des Legaten schnitt sich mühelos durch den allgemeinen Lärm. Lang gehegte Erwartung schwang in ihr. Wie eine Bronzestatue schwenkte die massige Gestalt seines Assistenten herum. De Vendetta trug sich häufiger mit der Sorge, dass der Koloss irgendwann umkippen und ihn kommentarlos unter sich begraben könnte.
    „Ich habe den Fortschritt ihrer Ausbildung persönlich überwacht.“
    Offensichtlich war der Legat mit dieser Antwort nicht vollständig zufrieden. Eine seiner Augenbrauen kletterte fragend in die Höhe. Daraufhin straffte sich die Gestalt Pangasius Donnerhobels, und sein Gesicht nahm einen feierlichen Ausdruck an.
    „Sie werden ihre Aufgabe erfüllen, Eminenz.“

Nikodemus von Schlupp war unterdessen mit dem frustrierenden Unterschied von Vorstellung und Wirklichkeit befasst. Niemand hatte ihm jemals beigebracht, wie man Spuren las, und das entwickelte sich gegenwärtig zu einem erheblichen Problem.
    Zunächst hatte er das Dorf untersucht, in dem die Hexe verschwunden war – und dabei außer verwirrten Einwohnern nicht viel gefunden. Anschließend wandte er sich jenem Ort zu, an dem einmal ihre Hütte gestanden hatte. Mit ähnlich fruchtbringendem Ergebnis. Darüber wurde es allmählich Abend.
    Am zweiten Tag seiner Suche kehrte er nach Schinkelstedt zurück und umkreiste den Ort mittlerweile in stetig größer werdenden Entfernungen. Nikodemus war sich durchaus im Klaren darüber, wie erfolgversprechend dieses Vorgehen im Großen und Ganzen war. Aber es war ihm immer noch lieber, als mit leeren Händen heimzukehren.
    Seit mehreren Stunden pirschte er ziellos durch das Blattwerk. Dabei versuchte er tapfer, zwei Dinge zu ignorieren: Zum einen das Brennen seiner Füße und zum anderen das quälende Bewusstsein darüber, dass er mittlerweile jegliche Orientierung verloren hatte. Die Dächer der Häuser waren schon lange aus seinem Blickfeld verschwunden, und mit Gewissheit konnte er gegenwärtig nur sagen, dass er sich wirklich tief im Wald befand.
    Trost suchte er im ausdauernden Brummen grimmiger Lieder, der subtilen Kühle des Gewehrs, das man ihm gegeben hatte, und der Gewandtheit, mit der er von Deckung zu Deckung eilte. Als er schließlich jedoch in den Schutz eines besonders üppigen Strauchs hüpfte, konnte er es sich nicht länger verhehlen: Er würde diese Hexe niemals finden, und er hatte sich, verdammt noch mal, verlaufen.
    Bischof Korkenbaum würde nicht glücklich sein, wenn Nikodemus heimkehrte. Vielleicht würde er ihn noch mit offenen Armen empfangen, froh und voller Hoffnung. Doch spätestens, wenn er seine leeren Hände sah, würde er den Blick aufsetzen. Jenen ganz besonderen Ausdruck, den der junge Geistliche immer wieder in den Augen anderer Leute fand. Der ihn nie anklagte, sondern immer nur leise ‚Ach, Nikodemus…’ seufzte.
    Langsam nahm er einen Schluck aus seiner Feldflasche und fühlte sich hingebungsvoll elend. Mit dem Zorn des Kardinals würde er zurechtkommen. Er war es gewohnt, sich mit dem Zorn anderer Leute zu arrangieren.
    Doch mit der Enttäuschung würde es anders sein. Langsam und heimlich würde sie an ihm nagen. Nikodemus mochte den Bischof. Und tief im Inneren war er sicher, dass dieser ihn auf seine ganz spezielle Art ebenfalls ein kleines bisschen gern hatte. Auch wenn er es recht gut verbergen konnte.
    In diesem Moment hörte der Novize ein Geräusch. Fast hätte er sich verschluckt, und der Versuch, nicht zu husten, trieb ihm das Wasser in die Augen. Mit unendlicher Langsamkeit stellte er die Feldflasche ab. Behutsam rutschte er näher an den Busch heran und versuchte, durch dessen Zweige zu spähen.
    Im Waldstück vor ihm hatte sich etwas bewegt. Der Wipfel einer kleinen Fichte wippte hin und her. Im Hagebuttenstrauch daneben meinte er einen abgerissenen Stofffetzen zu erkennen. Gepresst atmend ließ Bruder Nikodemus eine Hand sinken. Sie griff in seine Tasche und holte ein unscheinbares schwarzes Etui hervor. Er klappte es auf. Darin zeigten sich einige buntgefiederte Betäubungsprojektile. Vorsichtig nahm er eines heraus und hob mit der anderen Hand sein Gewehr auf. Schweiß lief über sein Gesicht, als er zum Laden den Lauf herunterklappte.
    Dann ruckte sein Kopf wieder empor. Einige Meter entfernt war plötzlich ein Vogel aus dem Unterholz aufgeflattert. Angespannt lauschend neigte Nikodemus sich noch näher an das Astwerk heran – als ihn ein ausgestreckter Arm seitlich am Kragen packte und aus dem Gebüsch zerrte. Unvermittelt

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