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Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Titel: Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Ziegenmeyer
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er zur Not zurecht, und mit dem Licht verstand er sich ohnehin prächtig. Doch Schatten, die beständig ihre Form wechselten und besonders aus den Augenwinkeln betrachtet ein sonderbares Eigenleben führten, waren ihm derzeit ausgesprochen unlieb.
    Selbst mit dem steten Schein seiner Lampe gab es hier unten genügend Dinge, die nicht dazu angetan waren, sein Wohlbefinden zu fördern. In erster Linie gehörten dazu Stützbalken. Stützbalken, an denen seit Jahrhunderten das Wasser hinabrann. Stützbalken, die sich unter einer dicken Schicht Moder verbargen. Und Stützbalken, die allgemein den Eindruck erweckten, sie würden jeden Moment in die Ewigen Jagdgründe eingehen und ihn zu einer kleinen Spritztour mitnehmen.
    Wie lange genau er nun schon unterwegs war, entzog sich einer zuverlässigen Schätzung. Zumindest war es bereits ein ganzes Weilchen her, dass er dem letzten lebenden Wesen begegnet war, das sich nicht als Spinne oder vagabundierende Ratte entpuppte. Wenigstens hoffte er, dass das Kraspeln in dunklen Winkeln auf Ratten zurückging.
    Soweit es die Spinnen betraf, so schienen diese Gänge wie für sie gemacht. Das Erlebnis, um eine Ecke zu biegen und mit dem Gesicht unversehens in einem ihrer Netze zu landen, war unter der vorherrschenden Atmosphäre einfach unnachahmlich.
    Außerdem wusste Korkenbaum mittlerweile, warum die ausgeschickten Ingenieure ihre kartographischen Bemühungen nach einer Weile eingestellt hatten. Viele der Gänge waren so eng und so niedrig, dass ein erwachsener Mann nur auf allen vieren und auch dann nur unter riskanten Quetschmanövern hindurchpasste.
    Einige Teile des Labyrinths standen gänzlich unter Wasser, andernorts hatte es Einstürze gegeben. Überall hing ein klammer Dunstschleier in der Luft, und auf dem Boden lag zäher Schlamm, der Füße nur widerwillig fahren ließ.
    Man brauchte nicht viel Phantasie, um zu erahnen, was dieser Ort einmal gewesen war: ein schlichtes Bergwerk. Die beeindruckende Weite der Arche und die künstliche Behaglichkeit ihrer Arbeitsräume mochten für eine Weile darüber hinwegtäuschen. Aber hier in den engen und modrigen Gängen gaben einem ungeschönte und sehr ausdrucksfreudige Indizien zu verstehen, dass man sich sehr tief unter der Erde befand – und dass niemand je hierher gekommen war, um sich wohlzufühlen.
    Während sein Atem zu kleinen Wölkchen kondensierte, blieb Bischof Korkenbaum stehen und leuchtete auf die Karte. Ein Teil von ihm war sich der Schäbigkeit seiner Gedanken durchaus bewusst. Dennoch wünschte er sich inständig, dass es in den Bereichen, die er de Vendettas Männern zugewiesen hatte, auch nicht besser aussah.
    Gedankenverloren wischte er sich eine weitere Spinne von der Schulter und starrte wieder in die vor ihm liegenden Gänge hinein. An manchen Stellen waren die Verschalungen der alten Tunnel so lange mit Ablagerungen des kalkhaltigen Wassers überzogen worden, dass sie kaum mehr von dem sie umgebenden Gestein zu unterscheiden waren.
    Der Gang links von ihm war so eine Stelle. Wie das Schlupfloch eines gewaltigen steinfressenden Insekts gähnte er vor ihm in der Wand – und Korkenbaum wäre nicht überrascht gewesen, wenn der Schein seiner Lampe sich plötzlich in einem Bündel Facettenaugen gespiegelt hätte.
    Noch einmal ließ er den Lichtkegel über die Karte huschen und fluchte. Dann klemmte er sich Lampe und Karte jeweils unter einen Arm und versuchte unter weiteren Verwünschungen, seine Zigaretten aus der Jacke hervorzufingern. Als ihm dies tatsächlich gelang, sein Feuerzeug jedoch im Schlamm landete, hätte er vor Wut am liebsten laut aufgeheult. Aus seinem Bauch drang ein tiefes Grollen, das von den umliegenden Wänden reflektiert wurde und munter durch die Gänge tanzte.
    Als er das erste Mal auf einen unpassierbaren Korridor stieß, hatte er nicht viel darauf gegeben. Er schnaufte kurz, verließ sich auf sein Improvisationsgeschick und die Karte und passte die geplante Route an. Mittlerweile jedoch war dies so oft geschehen, dass sich die Route zu einem ansehnlichen Knoten verheddert hatte. Derzeit gab es für den Bischof vor allem zwei Gewissheiten: Er konnte hier unmöglich ganz falsch sein – und er war definitiv nicht richtig.
    Missmutig ließ er sich auf einen Felsvorsprung sinken, der zumindest etwas weniger glitschig wirkte als seine unmittelbare Umgebung. Dann machte er sich daran, sein Feuerzeug zu trocknen. Nach zehn Minuten blickte er endlich zufrieden auf den orangefarbenen

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