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Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt

Titel: Drachenfliege Bd. 1 - Schatten über Schinkelstedt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Ziegenmeyer
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erblickt hatte und das an einem Ort wie diesem beinahe als Ausdruck höchster Exotik galt: einen sauberen Fußboden.
    Natürlich hatten Wasser und Zeit ein gewisses Arsenal an Belägen herbeigeführt. Auch konnte er wenige Meter vor sich die winzigen Skelette zweier ineinander verkrallter Ratten erkennen – aber im Vergleich zu dem schlammigen Untergrund dort draußen war dies ein Hort der Reinlichkeit. Noch einmal ließ der alte Bischof den Lichtkegel seiner Lampe herumwandern. Interessiert betrachtete er das gelbe und weiße Spiel der Ablagerungen.
    Bevor er den Rundblick jedoch abgeschlossen hatte, war es sein Gehör, das ihn auf etwas aufmerksam machte. Zacharias Korkenbaum vermeinte, ein leichtes Brummen zu hören. Einen steten, tiefen und ziemlich leisen Ton. Für einen kurzen Augenblick ging er so weit, die Taschenlampe auszuschalten, um sich besser konzentrieren zu können. Beinahe sofort gewann der Ton eine bedrohliche Qualität.
    Korkenbaum wandte den Kopf – und erblickte etwas, das seine Augen tränen ließ. Irgendetwas befand sich dort in der rechten Ecke, dicht an der Wand und nicht mehr als drei oder vier Meter von ihm entfernt. Zwar verabscheute er Formulierungen wie diese, aber es schien ihm wie ein schwaches Leuchten vom anderen Ende der Dunkelheit.
    Sofort ließ er die Taschenlampe wieder aufflammen. Er blinzelte einige Male, bis er in dem plötzlichen Licht etwas erkennen konnte, dann blickte er auf eine Reihe von Symbolen, die ihm nur allzu vertraut waren: Drudenfüße, astronomische Zeichen, Hieroglyphen und eine Unzahl verschnörkelter Linien – all das auf einer Oberfläche aus rostbedecktem Eisen.
    Vor ihm stand einer jener Behälter, wie er sie aus der Arche zur Genüge kannte. Er war in etwa so groß wie der Bischof selbst und verfügte an seiner Vorderseite über eine große Bleiglasplatte. In der allgegenwärtigen Feuchtigkeit war sie stark beschlagen.
    Langsam trat Korkenbaum darauf zu. Er zögerte, bevor er mit dem Ärmel über das Glas wischte. Dann blickte er hinein und fuhr gleich darauf mit einem erschreckten Satz zurück. In seinem Kopf herrschte Unordnung. Er war sich nicht sicher, was genau das Gesehene zu bedeuten hatte. Aber er hatte keinen Zweifel daran, dass ein beeindruckendes Maß an Unheil etwas damit zu tun haben würde.

Mit konzentriert hervorgestreckter Zunge kratzte Rasputin eine Markierung in die Stollenwand. Anschließend trat er zurück und warf einen fragenden Blick nach oben. Auguste nickte zufrieden. Der kleine Wolpertinger hatte sich mittlerweile in etwas verwandelt, das wie eine Mischung aus Rabe und Blindschleiche wirkte. Mit unverhülltem Erstaunen musste Auguste feststellen, dass es ihm tatsächlich gelang, auch diese Zusammenstellung samtig und weich wirken zu lassen.
    Für ein schnelles Vorankommen war die Gliedmaßen-kombination nicht eben günstig. Am Boden führte der etwas überdimensionierte Rabenkopf zu bedenklichen Gleichgewichtsstörungen, und in der Luft gestatteten es ihm die Flügel zwar, ein bisschen umherzuflattern – infolge des herabbaumelnden Schlangenleibes war dies allerdings auch nicht ganz unkompliziert. Das Ergebnis war daher meist eine Art flatterndes Kriech-Hopsen, aber zumindest brauchte er nicht mehr getragen zu werden.
    Außerdem ließ sich festhalten, dass der Schnabel ganz hervorragend für das Anbringen von Markierungen geeignet war – und genau das hatten sie in der letzten Stunde hauptsächlich getan. Zumindest, seit sie den Suchmannschaften entkommen waren.
    Sie waren vielleicht fünfhundert Meter im Inneren des Stollens gewesen, als plötzlich hinter ihnen das Tor mit lautem Scheppern ins Schloss fiel. Und als sie aus allen Richtungen das Stampfen hektischer Schritte vernahmen, machte sich Auguste keine Illusionen mehr hinsichtlich des Erfolgs ihrer Maskerade.
    Was der vorwitzige Wachtposten am Tor jedoch in seine Überlegungen nicht mit einbezogen hatte war der Umstand, dass es zu den grundlegenden Fähigkeiten jeder Hexe gehörte, im Notfall sehr, sehr unauffällig zu sein.
    Langsam und ausgesprochen vorsichtig zog sie sich in eine Nische des Ganges zurück und presste eine Hand dabei fest auf den zitternden Deckel des kleinen Teekessels. Dann hörte sie scheinbar auf zu atmen.
    Den Bruchteil eines Augenblicks später füllte sich der Gang vor ihr mit Männern, die wild aufeinander einplapperten, aufmerksam in alle Richtungen spähten und deren Blick dabei von einer ganz bestimmten Stelle einfach abzugleiten schien.

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