Drachenfluch1: Zauberschmiedekunst (German Edition)
folgte Ilajas seinem Befehl und brachte Jiru ins Haus, hoch in die Turmkammer, wo Yaris ihn bereits ungeduldig erwartete.
Was wie solider Fels aussah, musste ein Geheimnis bergen, das lediglich Zauberschmiede enthüllen konnten. Konzentriert strich Kilaja über das feuchte Gestein, bis sie das magische Siegel gefunden hatte, unsichtbar, doch deutlich zu spüren.
„Öffne dich!“, befahl sie und ließ ihren Willen in magischer Form freien Lauf. Zufrieden lächelnd hörte sie tiefes, unterirdisches Grollen. Widerstrebend bewegte sich der Fels, beugte sich knirschend und stöhnend ihrer Macht, bis ein Durchgang entstanden war, breit genug, um einem Menschen Platz zu bieten. Kilaja leuchtete mit der Fackel den Raum dahinter aus. Sie rechnete nicht mit Fallen oder weiteren Hindernissen, aber es war stets klug, Vorsicht walten zu lassen. Vor ihr lag eine niedrige Kammer, die abgesehen von zwei Truhen augenscheinlich leer war. Sie wartete, bis die faulig stinkende Luft der Kammer sich mit der modrig-feuchten Luft des Tunnels vermischt hatte und betrat dann vorsichtig den Raum. Ihr fielen sofort die gravierten Steinplatten auf dem Boden und an den Wänden auf – die Namen jener Zirkelmitglieder, die im Kampf gegen die karsländischen Zauberschmiede gefallen waren. Es waren hunderte. Kilaja unterdrückte den Anflug von Wehmut, als sie einige Namen dieser sinnlos gemetzelten Frauen und Männer las. Der Siebte Magierzirkel war gegründet worden, um den Fluch aufzuheben, der über allen Zauberschmieden lag. Kraft und Wissen hatte sich für dieses hehre Ziel vereinigt, was Angst und Neid in jenen weckte, die nicht dazugehörten und alles missverstanden …
Abrupt wandte sie sich von den Zeugnissen menschlicher Grausamkeit ab und kniete vor den Truhen nieder. Kilaja spürte die Magie, die das Holz verschlossen und für die Ewigkeit bewahrt halten sollte; es war nicht viel Energie notwendig, um auch dieses Siegel zu öffnen. Anscheinend hatten die letzten Zirkelmitglieder darauf gehofft, dass es freundlich gesonnene Zauberschmiede sein würden, die als nächste diesen Raum betraten.
Nein, das ist Unsinn. Die letzten Überlebenden werden die Schwächsten gewesen sein, nicht stark genug, um im Kampf einzugreifen, nicht mächtig genug, um weitere unüberwindliche Siegel zu erschaffen. Wer weiß, wie die Feinde überhaupt hierher gekommen sind? Sie müssen einen weiteren Weg durch das Labyrinth gefunden haben. Oder es gab einen Verräter, der sie geführt hat, dann wären alle Siegel sinnlos geworden.
Die zweite Version war die wahrscheinlichste, wie üblich. Es gab immer einen Verräter, der aus Gier nach einer Belohnung, gebrochen von Folter oder irgendwelchen anderen Gründen die Seiten wechselte. Beinahe jeder Krieg in der Geschichte der Menschen war auf diese Weise entschieden worden. Opfer waren wie stets die Schwächsten, die hilf- und schutzlos zurückblieben, sobald die Verteidiger gefallen waren.
Kilaja unterdrückte das Bild weinender Jugendlicher in ihrem Kopf, die sich gemeinsam mit einigen Greisen in dieser Kammer zusammendrängten. Es lagen nirgends Gebeine, die Flüchtlinge mussten woanders gestorben sein. Vermutlich hatte man sie aus dem Labyrinth gezerrt, verhört, gefoltert und jeden versklavt, der danach noch lebte.
In diesem Tagen wäre beinahe das Matriarchat gemeinsam mit dem Siebten Zirkel zerschlagen worden, die jahrtausende alte Kultur der Westwindländer den Barbaren des Karslandes zum Opfer gefallen. Zu ihrem Glück hatten die Sieger sich zerstritten, bevor sie ein Heer von nichtmagischen Soldaten herbeiholen konnten, denn dann hätte es keine Rettung mehr gegeben.
Viele karsländische Magier waren bereits mit ihrer Beute und den Sklaven nach Hause gezogen und die Zurückgebliebenen mussten vor den Zauberschmieden von Cha’ari fliehen, die sich zusammenrotteten und ihr Land befreiten. Kilajas Ahnin, die damals den Thron der Matriarchin bestiegen hatte, war damals kaum acht Jahre alt gewesen, und noch keine fünfzehn, als sie jahrzehntelangen Krieg gegen Karsland begonnen hatte. So viel Hass … Kilaja konnte sie gut verstehen.
Vorsichtig hob sie den Deckel der ersten Truhe an. Darin befanden sich uralte Pergamentrollen, die sicherlich einen unbezahlbaren Schatz darstellten, doch es war nicht das Gesuchte. Behutsam verschloss und versiegelte Kilaja diese Kostbarkeit für spätere Generationen von Zauberschmieden. In den einundfünfzig Jahren ihres Lebens hatte sie gelernt, dass sie nicht alles
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